Bild: PARIS FOLLIES

20. Französische Filmtage

19.11.–26.11.2014

Passage, Schaubühne Lindenfels

www.franzoesische-filmtage.de

Von einer Diva auf dem Dorf, der Stadt der Liebe und geborgenen Filmschätzen

Ein Blick auf die Französischen Filmtage im 20. Jubiläumsjahr

Das Kind wird 20, also erwachsen, aber deswegen beileibe nicht müde, ganz im Gegenteil: Die Französischen Filmtage treten erneut voller Elan an, um „das Wesen des Kinos zu zeigen, zu unterhalten und gleichzeitig die Gesellschaft abzubilden“, wie René Reinhardt, Leiter der Schaubühne Lindenfels, betont. Für ihn ist das Festival daher mehr als ein reines Filmforum – ein Anspruch, welchen das Programm seines Hauses deutlich widerspiegelt. Dort ruht der Fokus diesmal auf dem Schaffen François Truffauts, dessen Todestag sich 2014 zum 30. Mal jährt. Zu sehen ist neben bekannten Werken à la DIE BRAUT TRUG SCHWARZ (welcher Tarantinos KILL BILL-Doppel inspirierte) oder der Ménage-à-trois JULES UND JIM, in der zwei Männer Jeanne Moreau verfallen, auch eher selten Offeriertes und daher weniger Wahrgenommenes wie DER WOLFSJUNGE. Jene Studie domestizierter Emotionen sorgte einst für Diskussionen und hat auch heutzutage nichts von ihrer Brisanz eingebüßt.

Einen zweiten Schwerpunkt bildet die Nouvelle Vague, auf dem Plan stehen da unter anderem drei zentrale Streifen, denen man durchaus mitbestimmenden Charakter zuweisen darf, namentlich das wohl ewig aktuelle Drama HIROSHIMA, MON AMOUR, die künstlerisch höchst spannende Adaption der Orpheussage ORFEU NEGRO sowie das Porträt einer zerrütteten Kindheit SIE KÜSSTEN UND SIE SCHLUGEN IHN. Außerdem gibt’s natürlich Premieren, darunter den Thriller LIEBE IST DAS PERFEKTE VERBRECHEN, schließlich rundet ein Fest mit Musik, Film und Tanz das Angebot ab.

Die Passage verlagert ihren Blick hingegen nach Paris, was Geschäftsführerin Petra Klemann als ein „dem Anlaß entsprechendes, adäquates Thema“ bezeichnet. Über Zeiträume, Genregrenzen und gelöste Lizenzprobleme hinweg spannt sich der rote Faden vom bereits 1930 entstandenen, melancholischen UNTER DEN DÄCHERN VON PARIS über Juliette Binoches Durchbruch DIE LIEBENDEN VON PONT-NEUF bis hin zu PARIS FOLLIES, gleichzeitig die Auftaktveranstaltung. Hier kann man Isabelle Huppert alias Brigitte beim ehelichen Betreiben einer Farm zuschauen, was der lebenslustigen Madame irgendwann nicht mehr genügt. Sie packt die Koffer, reist nach Paris und entflammt neu ...

La Huppert in Gummistiefeln – allein das wäre schon Grund genug für einen Besuch der Eröffnung, weitere Pluspunkte stellen trotzdem Livemusik und ein Buffet. Kulinarische Genüsse locken ebenso bei den heiteren Premieren CAFÉ OLYMPIQUE und BRASSERIE ROMANTIEK, zwei herzenswarme Geschichten über Liebe, Menschlichkeit, Aufbrechen. Das laut Klemann „feine, ausgewogene Programm“ bietet indes noch viel mehr, beispielsweise Xavier Dolans aktuelles Meisterstück MOMMY (Rezension im Heft), Charlotte Gainsbourg und Catherine Deneuve vereint in 3 HERZEN, die Originalversion des Publikumsrenners MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER, den letzten französischen Stummfilm von Charles Vanel namens DANS LA NUIT oder das Queerblick-Special DIE ZEUGEN.

Und um wirklich sämtliche Altersgruppen anzulocken, findet selbstverständlich in beiden Spielstätten wieder das Jugendfilmfestival Cinéfête statt, das nicht nur Schüler einlädt, sich überdenkenswertem französischen Kinogut zu widmen, sondern ausdrücklich allen Interessierten in der 15. Ausgabe seine Pforten öffnet.

Bleibt als Fazit beruhigt festzuhalten: Die von Michel Gribenski, Direktor des Institut français Leipzig, gesehene „Herausforderung“ der Jubiläumstage konnte locker bewältigt werden!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...