Bild: L’AMANT DOUBLE

23. Französische Filmtage

22.11.–29.11.2017

Passage, Schaubühne Lindenfels

www.franzoesische-filmtage.de

Genommene Hürden, bewahrte Qualitäten und frisch Gereihtes

Ein Blick auf die 23. Französischen Filmtage

Jean-Christophe Tailpied, Direktor des Institut français Leipzig, sah kürzlich ein paar französische Filme deutsch synchronisiert und war wenig angetan. Wer dieses Gefühl teilt, ist auch 2017 herzlich eingeladen, bei den Französischen Filmtagen genauer hinzuhören – laut René Reinhardt von der Schaubühne Lindenfels „nicht mehr nur ein Fenster zur Welt, sondern Treffpunkt der französischsprachigen Community“, stark beeinflußt durch Leipzigs zunehmende internationale Ausrichtung, das stete Einwohnerwachstum.

Die Französische Botschaft hingegen hat den Trend wohl eher verpennt und sämtliche Mittel gestrichen, was Passage-Chefin Petra Klemann bedauert, das gesamte Team indes nicht entmutigt. Im Gegenteil: Jetzt erst recht! Und so ist es Verlockung, Verheißung, daß die junge Catherine Deneuve in BELLE DE JOUR-Pose auf dem tollen Plakat prangt; gleichzeitig Hinweis auf eine brandneue Reihe namens „Frankreich – Deine Gesichter“, die zum Start eben Luis Buñuels restauriertes Meisterwerk präsentiert und GAUGUIN ein Stück des Lebensweges begleitet. 

Ebenfalls frisch aus der Taufe gehoben schickt „Frankreich – Deine Regionen“ das Publikum in der Liebeskomödie DIE PARISERIN durchs Baskenland, weist EINE BRETONISCHE LIEBE mittels Titel bereits auf zu erwartenden Inhalt sowie Gegend hin, und der Publikumserfolg DER WEIN UND DER WIND räumt Landidyll einfangenden Blicken und solchen in verletzte Seelen ausgewogenen Stellenwert ein. Der Innovationen noch nicht genug, zeigt „Eine Reise nach Kanada“ frankokanadische Regisseure bei ihrer Arbeit, konkret begleitet Philippe Falardeau MONSIEUR LAZHAR und porträtiert der momentane Shooting Star Denis Villeneuve DIE FRAU, DIE SINGT, während Dauerbrenner Xavier Dolan erneut den HERZENSBRECHER verführen läßt. Das sonstige Repertoire begegnet jenen Schwergewichten selbstbewußt, wobei ELLE und MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE qualitativ dann doch etwas über EIN DORF SIEHT SCHWARZ stehen.

Explizit und berechtigt stolz betont wird festivalseitig die Programmvielfalt, man ignorierte bei der Premieren-Auswahl bewußt den anhaltenden Überhang an Komödien. Neben komisch sollte das Gebotene auch ernst und anrührend sein, immer anspruchsvoll. Weswegen die in der Schaubühne stattfindende Eröffnung Philippe Lioret DIE KANADISCHE REISE inszenieren läßt: Eine berührende Odyssee zu den eigenen Wurzeln entlang diverser Familiengeheimnisse und im Angesicht unrettbar verlorener Zeit, traditionell gibt’s dazu Musik und Wein.

Als weitere Höhepunkte prallen unter anderem in WENN ICH ES OFT GENUG SAGE, WIRD ES WAHR ausgeschöpftes Leben vor dem nahenden Tod und lähmende Hypochondrie ungebremst aufeinander, denkt OPERATION DUVAL – DAS GEHEIMPROTOKOLL Kafkas „Der Prozeß“ zum Politthriller um, drehte François Ozon mit L’AMANT DOUBLE einen phantasmagorischen Alptraum aus Wahn und Lust, oder gelang C’EST LA VIE vom ZIEMLICH BESTE FREUNDE-Regieduo hoffentlich ebenso gut wie der einstige Überhit – die Spannung steigt. Und zwecks Einbeziehung wirklich jeder Altersgruppe findet natürlich in beiden Spielstätten das Jugendfilmfestival Cinéfête statt, welches allen Interessierten in der 18. Ausgabe seine Pforten öffnet.

Bleibt als Fazit festzuhalten: Es mögen, siehe oben, manchmal zu umrundende Stolpersteine herumliegen, aber Sorgen braucht keiner hegen. Vielmehr gilt es, sich nach diesen tollen Tagen frühzeitig auf die zweifellos hervorragende Jubiläumsausgabe vorzufreuen – wir sehen uns 2019 schon zum 25. ...

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...