D 2018, 120 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama, Polit, Historie

Darsteller: Friedrich Mücke, David Kross, Karoline Schuch, Thomas Kretschmann

Regie: Michael Bully Herbig

Kinostart: 27.09.18

8 Bewertungen

Ballon

Hochemotionales Thrillerkino

Es hätten Wetten abgeschlossen werden können, und die meisten hätten sie verloren. Wer hätte darauf gesetzt, daß Spaßmacher Michael Bully Herbig ein gescheites und zugleich ernstes Werk, daß dem Ur-Bayer nichts weniger als der vielleicht emotionalste und darüber hinaus spannendste Film über ein reales Kapitel DDR-Geschichte gelingen würde? Ausgerechnet Bully ... Ist aber so, und warum? Weil Herbig die Gewerke des Kinos perfekt beherrscht, weil er einen politischen Film, eine Liebesgeschichte und einen handfesten Thriller in einem und noch dazu mit all dem drehte, was richtiges Kino ausmacht: echtes Drama, tiefe Konflikte, große Gefühle, dazu reichlich Hochspannung. Nein, Herbigs Neustart ins ernste Fach ist kein trockener Schulstoff, kein schnödes Geschichtspoesiealbum, kein „Ach Damals“ – BALLON ist perfektes Kino!

Erzählt wird die spektakuläre Flucht zweier Thüringer Familien, vier Erwachsene, vier Kinder, in einem Ballon, in zwei Versuchen. Allein schon der Wahnwitz, daß Versuch 1 scheiterte, woraufhin die Vertuschung der Flucht eine Herausforderung sondergleichen darstellte. Wie groß aber muß die Verzweiflung der Strelzyks und Wetzels gewesen sein, um das Risiko nochmals auf sich zu nehmen, um sich und ihre Kinder derart extrem zu gefährden und dann im Blitztempo und zu Zeiten des allgemeinen Mangels erneut einen manövrierfähigen Ballon zu nähen, um schnellstmöglich und endgültig die DDR zu verlassen?

Genau das gelingt Herbig hervorragend: dieses Erzählen von einer unumgänglichen Entscheidung, bestechend, dieses fabulierende Ertasten von großem Mut, einem gewissen Leichtsinn auch und vor allem einer immensen Angst! Eine geradezu spürbare Angst, die sich hier einer Entscheidung aus purer Verzweiflung unterzuordnen hat. Absolut überzeugend wird von bedrückender Kleinstadtatmosphäre erzählt, von diesem miefigen Argwohn hinter Häkelgardinen, diesem nachbarschaftlichen Belauern. Für schweißnasse Hände sorgt indes nicht nur die Flucht allein, Herbig inszeniert auch die Vorbereitung des Abhauens nach den Grundessenzen bester amerikanischer Politthriller.

Übrigens: Eine zweite Wette wäre verloren gegangen, hätte doch keiner auch nur ansatzweise geglaubt, daß ein Schauspieler, der bisher eher als B-Movie-Knattermime auffiel, sich in der Rolle als intelligenter, verbissener und geradezu furchteinflößend agierender Stasioffizier in die erste Liga spielt: Thomas Kretschmann.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.