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Beijing Bubbles

Durchs Schlüsselloch nach Peking

Cineastische Osterweiterung ist es nun grad nicht, was Messmer und Lindt dem Zuschauer hier vorführen. Die Notwendigkeit in China im öffentlichen Raum mit versteckter Kamera zu filmen, ist nicht mit Gestaltungsmitteln oder einer ausgesuchten Stilistik zu verwechseln. Gleichwohl tritt hier der glückliche Umstand ein, daß Sujet und Eigenart des Films zusammen passen. BEIJING BUBBLES porträtiert in wackeliger Handkamera-Manier, zuweilen aus der Froschperspektive oder in gekippten Bildern, fünf Pekinger Bands in ihrem Alltag. Joyside machen Punk, Hang On The Box kommen hörbar aus der gleichen Ecke (hauptsächlich aber agieren hier Mädchen), Sha Zi tendieren gen Blues und die New Pants rocken. T9 heißt, mag man Neues hören, das eigenwilligste Projekt, mischen die Akteure hier doch Elemente des Rock mit traditioneller mongolischer Musik.

Der durchweg tönende Streifzug der Filmemacher gewinnt durch eine Vielzahl von Protagonisten, die ihnen Einblick gewähren. Messmer und Lindt, ob indoor (in den Wohnungen der Musiker), outdoor (auf Stadtführung mit ihnen), on stage oder backstage, sind eingeladen, den chinesischen Underground mit ihrer Kamera einzufangen. Von der Offenheit, die selbst in elterliche Wohnstuben führt, lebt der Film, weil er sehr persönliche Momente einfängt. Über den Zufall, der die eigenen Schritte lenkte, aber stolpern die Regisseure, was im Schnitt des Materials deutlich wird. Überaus didaktisch mutet die Ordnung des Materials an, wo sie die einzelnen Bands mit Slogans verortet ("Wir wollen kein Teil dieser Gesellschaft sein.") oder Bilder eines exquisiten Einkaufszentrums mit Statements zum Konsumdenken koppelt. Einblendungen wie "Rush Hour im Stadtzentrum" und "Alltag am Stadtrand" machen ratlos, weil unergründlich bleibt, warum die Bilder solcher Fußnoten bedürfen.

Von seinem Untertitel "Punk und Rock in Chinas Hauptstadt" und den Protagonisten entfernt sich der Film schließlich, um in kurzen Sequenzen und kleinen Ausschnitten die gesellschaftlichen Diskrepanzen vor Ort in Blick zu nehmen. Sichtbar wird dann wiederum auch eine Stadt, in der Karaoke, Schlagermusik und Revolutionslieder eine große Anhängerschar versammeln. Womit schlußendlich fundiert ist, was die Porträtierten von sich sagen: "Wir sind immer noch Underground."

D/VR China 2006, 80 min
Verleih: Kloos/Salzgeber

Genre: Dokumentation, Musik

Regie: Susanne Messmer, George Lindt

Kinostart: 26.04.07

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.