Originaltitel: BENEDETTA

F/NL 2021, 131 min
FSK 16
Verleih: Capelight

Genre: Drama, Historie, Erotik

Darsteller: Virginie Efira, Daphné Patakia, Charlotte Rampling, Lambert Wilson, Hervé Pierre

Regie: Paul Verhoeven

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Benedetta

Paul Verhoeven und die Urinstinkte

Er hat Mathematik und Physik studiert und ein ausgesprochen lesenswertes Buch mit dem programmatischen Titel „Jesus. Die Geschichte eines Menschen“ geschrieben. Als Atheist ist er fasziniert von der Religion. Und was ihn an der Religion fasziniert, ist unter anderem etwas, das der menschlichen Existenz im allgemeinen und den Filmen dieses Mannes im speziellen maßgeblich eigen ist: Sex und Gewalt nämlich. Oder genauer gesagt: die Macht, die Sex und Gewalt über die Menschen (und über das Kino) haben. Und in der Umkehrung: wie Menschen (und das Kino) ihrerseits mit Sex und Gewalt Macht über andere Menschen konstituieren und ausüben.

Kaum einer hat das unumwundener, drastischer, spekulativer, mitunter auch trashiger gezeigt als Paul Verhoeven. Der Naturwissenschaftler und gottlose Teilzeit-Theologe, der natürlich vor all dem erst einmal der berühmte niederländische Regisseur ist, der es bis nach Hollywood schaffte und dort das seltene Kunststück vollbrachte, sich künstlerisch nicht nur treu zu bleiben, sondern damit auch noch Erfolge zu feiern. Mit Filmen wie ROBOCOP, TOTAL RECALL und, allen voran, BASIC INSTINCT. Von dem aus einen jetzt ja allein schon der Titel wieder elegant zurück zum Ausgangspunkt führt – zu jenen Urinstinkten eben, die dann auch in Verhoevens neuem Film BENEDETTA eine maßgebliche Rolle spielen.

Erzählt wird die historisch verbürgte Geschichte der Benedetta Carlini (1590-1661), einer italienischen Nonne und Mystikerin, die schon als kindliche Novizin im Theatinerkloster von Pescia ekstatische Jesus-Visionen hat. Erscheint ihr in diesen anfänglich der Heiland noch als himmlisch keuscher Bräutigam, soll sich das

späterhin gravierend ändern. Grund dafür ist die von ihrem Vater mißbrauchte Bartolomea. Ihrem brutalen Leben entflieht die ins Kloster und erweckt hier in Benedetta bald auf so unschuldige wie unverblümte Weise ein Begehren, das nicht nur in eine heimliche lesbische Liebesbeziehung mündet, sondern zunehmend andere, durchaus drastisch geartete Jesus-Visionen hervorruft. Blutige Stigmata inklusive. Was seinerseits eine fatale Kettenreaktion auslöst, die unerbittlich auf einen Kulminationspunkt zujagt, auf dem Verhoeven ein wahres Grand Guignol aus Pest und Inquisition, Folter, Feuertod und Erlösungsdelirium entfacht.

Dabei ist BENEDETTA, das muß man an der Stelle unbedingt dazusagen, kein Film, der mit infantilem Ehrgeiz die Provokation sucht. Denn so drastisch, spekulativ und gelegentlich trashig Verhoeven auch hier in entscheidenden Teilen wieder zu Werke geht, so ist doch auch dieser Film von ihm im Kern wieder einer, der von Sexualität und Gewalt als Machtfaktoren und Machtinstrumenten erzählt. Und das in Kinobildern, die auf ganz eigene Art ihre Macht deklarieren.

Die bei Verhoeven freilich die Macht des Ambivalenten ist. Denn was ist BENEDETTA eigentlich? Manipulativ oder aufklärerisch? Feministisch oder voyeuristisch? Kunstvoll oder doch eher kunstgewerblich? Gar alles zusammen? Es ist abzusehen, daß die Antworten darauf höchst unterschiedlich ausfallen dürften. Wie so oft bei Verhoeven. Und das ist jetzt unbedingt als Empfehlung zu verstehen! Also auf ins Kino und selber die Antworten finden!

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.