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Beti und Amare

Low-Budget-Sci-Fi-Historien-Kammerspiel in der äthiopischen Steppe

Keine willkürliche Aneinanderreihung von Genres, sondern ein kleines, durchaus feines Amalgam von einem Film. Und den bereits genannten Schlagwörtern könnte man noch den soziologischen Subtext hinzufügen sowie die Vermixung von „westlichem“ und afrikanischem Filmhandwerk. Das sind viele Attribute für so einen „kleinen“ (abendfüllenden) Erstlingsfilm, und man möchte meinen, diesem Wust an Zuschreibungen könnte solch ein Werk kaum standhalten und müßte unweigerlich unter dieser Last zusammenstürzen. Doch erstens sollte man solch ein Genredropping doch eher locker nehmen, und zweitens wird in der afrikanischen Steppe nicht hoch und fragil, sondern klein, gedrungen und witterungsfest gebaut.

Dort, im Jahr 1936, spielt der Film. Als letztes noch verbleibendes afrikanisches Land wehrt sich Äthiopien gegen die Okkupierung der Italiener unter Mussolini. Die junge Beti wird von ihrer Mutter in die Steppe geschickt, um sie dort beim Großvater vor den Kriegswehen in Sicherheit zu wissen. Doch dieser muß seinerseits sehr bald in die Stadt, um Ersatz für seine erkrankte Ziege zu kaufen. So bleibt Beti zurück und ist den Milizionären und ihren vergewalterischen Avancen scheinbar hilflos ausgeliefert. Bis etwas in schwirrenden Umrissen vom Himmel stürzt und die selbsternannten „Bewacher“ fürs erste verjagt. Beim Wasserholen am nächsten Tümpel findet sie das Objekt dieses surrealistischen Schauspiels: ein Space-Ei, aus dem sich das Wesen Amare pellt. Sie nimmt ihn auf, und von da an wendet sich Betis mißliche Lage.

Man merkt BETI UND AMARE sehr bald an, daß sein junger Regisseur in beziehungsweise zwischen Afrika und Europa aufgewachsen ist. So bedient er sich filmisch ungeniert und lässig bei beidem, setzt die vermeintlich friedliche äthiopische Weite gegen intime Nahaufnahmen in der Hütte des Großvaters, körnige historische Aufnahmen gegen ruhige, durch die folkloristische Musik fast schon meditativ wirkende Traumsequenzen, schwarzweiß gegen und mit blühenden Farben und authentische Zärtlichkeit gegen trashige CGI-Splattereffekte, für die zum Beispiel ghanaische Produktionen so bekannt sind.

Originaltitel: BETI AND AMARE

USA/Äthiopien/D 2014, 94 min
FSK 16
Verleih: Aries Images

Genre: Experimentalfilm, Schräg, Drama

Darsteller: Hiwot Asres, Pascal Dawson, Atrsaw Wisenbet, Biniam Kore

Regie: Andy Siege

Kinostart: 14.04.16

[ Philipp Winkler ] Philipp mag Filme, die sich in Randgebieten jeglicher Fasson abspielen. Filme, die mitten hinein treffen (und sei es in die Fresse). Filme, die frisch sind, selbst wenn sie siebzig Jahre alt sind. Philipp mag Literaturverfilmungen, denn er schreibt selbst. Doch grundsätzlich mag er auch Comicadaptionen, denn Philipp mag Comics. Er greift eher zu einem guten Dokumentar- als zu einem guten Spielfilm. Diese Leute mag Philipp besonders: James Marsh, Michael Haneke, Harmony Korine, Sabu, Errol Morris, Shohei Imamura, Jeff Nichols, Andrei Tarkowski, John Hillcoat, Hayao Miyazaki, György Palfi, Francis Ford Coppola und Hirokazu Koreeda.