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Das Badehaus – Shower

Nekrolog auf eine alte Seelenwaschmaschine

Auf schneeweißen Badetüchern, umweht von Kochwäscheduft, könnte dieser Film aus China herübergeflogen sein - so leicht und zauberhaft schwebt er einem entgegen. Der Vorwurf, es mangele ihm an Gewicht, an künstlerischer Durchtriebenheit oder subversivem Aufbegehren, ist ebenso flott formuliert, wie er sich widerlegen läßt. Denn Zhang Yangs Geschichte von Meister Liu, dem alten Betreiber eines traditionellen Badehauses in Peking, und seinen Söhnen bringt in all ihrer unverstellten, aber nie phantasielosen Schlichtheit einen Kulturkampf auf den Punkt.

Lius mühsam von Hand betriebene, vollständig unökonomische Seelenwaschmaschine ist so ganz anders, als die Schreckensvision eines Bürsten-fletschenden Duschvollautomaten, wie ihn die Eingangssequenz halluziniert. In der chinesischen Variante des Hamam läßt sich der Mann von Welt oder der von nebenan Körper und Gemüt aufpolieren. Sie schützt vor Gläubigern und keifenden Ehefrauen. Sie streckt der neuen, aufgeregten Geschäftigkeit draußen ihre abblätternden Wasserrohre heraus. Dieser sinnliche Ort, gefilmt und ausgeleuchtet mit aller gebotenen Melancholie, wird bei Zhang Yang zum greifbaren, vor allem emotional zugänglichen Sinnbild für eine Kultur im Schleudergang.

So wirbelt es Da Ming, den ältesten Sohn, aus dem boomenden Shenzhen zurück zu Vater und geistig behindertem Bruder. Eine unbeholfen gezeichnete Postkarte ließ ihn glauben, der Alte liege im Sterben. Nun heißt es, sich auch in die merkwürdigen Rituale zurückzufinden: die abendlichen Wettläufe zwischen Meister Liu und Er Ming, einen leidenschaftlichen, aber publikumsscheuen "O Sole mio"-Sänger, dem bei falschen Tönen das Wasser abgedreht wird, die kauzigen Gäste mit ihren echten (!) und charakterlichen Grillen.

Er Ming, der stattliche Kerl mit dem Kindergemüt, schenkt diesem Film die Urfreude am Naßspritzen. Heimkehrer Da Ming verkörpert die Abgeklärtheit, letztlich auch die Gewißheit, daß hier ein Abschied zelebriert wird. Und der Regisseur versteht es zu feiern! Mit ritualhaften Handlungs- und Bildaufbauten, mit mehr als nur einer Träne im Knopfloch, mit ein wenig Schmerz aber noch mehr Witz gibt er den einen Kampf vielleicht verloren. Doch während die Bagger anrollen, geht das Leben weiter.

Originaltitel: XIZAO

China 1999, 92 min
Verleih: Ventura

Genre: Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Zhu Xu, Pu Cunxin, Jiang Wu

Regie: Zhang Yang

Kinostart: 16.02.06

[ Sylvia Görke ]