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Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki

Das Herz eines Boxers, Leberhaken und das Wesentliche

50 Boxkämpfe, davon 14 Niederlagen, acht Unentschieden – und 28 Siege, inklusive des Europameistertitels 1959. Doch, da kann man schon sagen, ganz ohne sportliche Erfahrung ist er nicht, der Olli Mäki. Kein Naivling, kein Weichei. Keiner, der es nicht wissen will. Keiner, der es nicht kann.

Weshalb man wahrlich guter Hoffnung nach einem Weltmeistertitel schielen darf. Vom beschaulichen finnischen Kokkola aus, wo Olli lebt und arbeitet. Als hauptberuflicher Bäcker, wohlgemerkt. Und trotz allen Sportgeistes, im ruhigen Fluß eines Bodenständigen. Der dann allerdings auch mal aus dem Tritt gerät, entschwebend in Gefilde, die mit Weltmeistertiteln erst einmal nicht allzu viel zu tun haben.

Wobei: Wenn es in der Geschichte des Sports so etwas gibt wie einen „Weltmeister der Herzen“, dann ist das Olli Mäki. Wovon man sich aufs Allerschönste überzeugen lassen kann, wenn man jetzt das Regiedebüt von Juho Kuosmanen sieht. Ein Regiedebüt, dem man wiederum das Debüt nicht anmerkt, es sei denn in dieser wunderbar herzerfrischenden Geisteshaltung, die diesen Film charakterisiert und so beglückend macht.

DER GLÜCKLICHSTE TAG IM LEBEN DES OLLI MÄKI führt in den finnischen Sommer des Jahres 1962. Olli also, 25 Jahre jung, Bäcker und Boxer aus Kokkola, steht kurz vorm Kampf seines Lebens. Der Gegner: Davey Moore, US-Champion, in 64 Kämpfen unbesiegt und das mit einer ziemlich schlagenden K.O.-Statistik. „Wir werden alles geben, um den Titel nach Finnland zu holen!“, trötet da nicht nur Ollis Manager gern mit geschwollener Brust in die Mikrofone. Hier geht es schließlich auch um eine Frage des Patriotismus’.

Also gilt es für Olli abzuspecken (vom Leicht- aufs Fliegengewicht) und zugleich konditionell wie technisch aufzurüsten und mithin sich mit aller Kraft auf das Wesentliche zu konzentrieren. Was aber ist das Wesentliche? Kampf oder Liebe? Denn frei nach Muhammad Ali: Die Liebe ist es, die hier Ollis Herz schweben läßt wie einen Schmetterling und darin sticht wie eine Biene. Rajia heißt die Schöne, die Olli echt auf die Bretter schickt.

Endlich mal eine Geschichte „nach wahren Ereignissen“, die nicht klebrig verlogen auf der Leinwand kleistert. DER GLÜCKLICHSTE TAG IM LEBEN DES OLLI MÄKI ist ein Film wider den gefühlstötenden Ehrgeiz. Eine Ode auf die Liebe. Oder besser: auf die oder den Liebenden. In dem Falle eben Olli, der gern nur noch mit Rajia Hand in Hand durch Wälder spazieren, am Lagerfeuer sitzen oder im nächtlichen See baden würde. Stattdessen: Training, Training, Training und Fotoshootings und Sponsorendinner und mehr und mehr von all diesen dummen, faden Nebensächlichkeiten, ob derer Olli schon bald spürt, daß ihm das Wesentliche zu entgleiten droht.

Natürlich weiß man oder kann es im allwissenden World Wide Web schnell herausfinden, wie diese Geschichte ausgeht. Was einen indes nicht davon abhalten sollte, diesen Film anzuschauen. Weil er, in aller finnischen Lakonie und in schönem Schwarz-Weiß, wie sein Held ist: leichtgewichtig, aber nicht oberflächlich. Von einer einfachen, klaren Eleganz. Dabei zurückhaltend, leise, genau. Ein guter Film über einen guten Menschen. Und einer, der trotzdem, ganz ohne Attitüde und Aggression, dem Fetisch „Leistungsdenken“ kleine, punktgenau treffende Leberhaken verabreicht. So aufs Beste gemahnend, eben das Wesentliche nicht zu vergessen.

Originaltitel: HYMYILEVÄ MIES

Finnland 2016, 92 min
FSK 6
Verleih: Camino

Genre: Tragikomödie, Biographie

Darsteller: Jarkko Lahti, Eero Milonoff, Oona Airola

Regie: Juho Kuosmanen

Kinostart: 05.01.17

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.