Originaltitel: NEBESA

Serbien 2020, 120 min
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie, Satire, Psycho

Darsteller: Goran Navojec, Ksenija Marinkovic, Bojan Navojec, Miloš Samolov

Regie: Srdjan Dragojevic

Kinostart: 16.12.21

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Der Schein trügt

Und erlöse uns von dem Guten

Ohne einen erkennbaren Funken Bösartigkeit lebt Stojan mit Frau Nada und kleiner Tochter in – beschönigen wir „Armut“ mal verbal – stiller Bescheidenheit. Eine sanfte Seele, die Belohnung verdient, daher leuchtet’s nach einem Stromschlag über Stojans Haupt. Ein Heiligenschein! Nada bringt sofort das älteste Argument der Welt, um das Ding wieder auszulöschen: Was sollen die Leute denken?!

Leider hilft keine weltliche Aktion, weswegen der Plan aufpoppt, sich an den sieben Todsünden zu versuchen. Aber hat hier wirklich Gott seine allmächtige Hand im Spiel? Oder lenkt eher des Gehörnten Huf, lädt dazu, sozusagen legitimiert für den guten Zweck auf der persönlichen Drecksau reitend eine Schneise ins Umfeld zu schlagen? Man beäuge die vom Kameramann gemalten Wimmelbilder, die fortan scheinbare Alterslosigkeit des Protagonisten könnte ebenfalls einen Hinweis geben. Daß nun aus der Verkörperung alles Netten erst langsam, dann immer barbarischer auf Moralgrenzen pfeifende Widerwärtigkeit herausbricht – tja, dafür könnte indes selbst Satan nix, er lieferte lediglich die Steilvorlage.

So setzt sich in zwei weiteren Kapiteln Stojans Aufstieg parallel zu Nadas Niedergang fort, da ertönt gar Zukunftsmusik voller schräger Akkorde und Harmonie zu Notensalat zerreißender Dissonanzen. Nur fair, hört man des Regisseurs innere Freudenschreie, „wenn ein Film quasi zum Rorschach-Test mit unendlicher Interpretationsvielfalt wird.“ Ist’s demnach eine Religionssatire? Eine Skizze menschlicher Degeneration? Doch eine schwarze Komödie, welcher es einfach gefällt, sich brutal, derb und verrätselt gleichermaßen zu gebärden? Kommt dem strumpffetischistischen Dämon aus der TV-Priestersprechstunde also womöglich wenig Bedeutung zu? Dem finalen Massensterben, dargeboten als fröhliche Farbenpracht, eine Art bunte apokalyptische Reinigung?

Es steht jedem frei, individuelle Blickwinkel zu entwickeln und sich gegenseitig mit aus Drehbuchzeilen gerissenen Metaphern zu bewerfen, während Schatten den Abend queren, ihn zunehmend verdunkeln und – es geschähe ganz analog zum filmischen Geschehen, wäre ergo absolut passend – die wilde Raserei über mehr als bloß Gebein brechenden Stock und Stein bittere Galle hochsteigen läßt. Wer irgendwann gedankenschwer durch einen doppelten Boden rauscht, darf erneut bei Los starten. Gern auch am Folgetag oder übermorgen …

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...