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Der Sohn der Braut

Warmherziges Kino aus Argentinien

Auf den ersten Blick ist Rafael eher ein Stinker, einer, den man eigentlich nicht so richtig mag. Permanent das Handy an der Backe, keine Zeit für die Liebe, seine Restfamilie (geschiedene Frau, halbwüchsige Tochter) versinkt im chaotischen Zeitmangel. Die Arbeit frißt ihn auf, kein Wunder, steht er doch als Chef einem florierenden Restaurant vor.

Ebenfalls nicht verwunderlich, daß Rafael von einem Herzinfarkt kurzzeitig niedergerissen wird. Ihn wird diese einschneidende Erfahrung verändern. Bisher fand er einzig für seinen alten Vater Nino Zeit. Mit dem rüstigen Herrn verbindet ihn beinahe etwas Freundschaftliches. Jetzt besucht Rafael auch wieder seine Mutter Norma, die die Welt momentan durch ein unerforschtes Raster beargwöhnt - oder auch nicht: Norma leidet an Alzheimer. Ninos Liebe zu seiner Frau hat in all den Jahren nichts an Wärme, Respekt und Ehrlichkeit verloren. Um Norma glücklich zu machen, will er sie noch einmal heiraten: diesmal kirchlich, eine Zeremonie, der sich Nino stets verweigert hat. Nun ist es die Kirche, die bockt, da der Segen an "Nichtzurechnungsfähige" kaum vergeben werden darf. Doch jetzt legt sich Rafael ins Zeug. Mit entsprechendem Erfolg, auf der ganzen Linie ...

Generationen übergreifendes Kino hat ja auch oft so was Giftiges, das einen schaudern läßt: denn was Oma gefällt, kann nicht wirklich gut sein. Doch, Moment mal: dieser Film ist etwas ganz Besonderes! Natürlich wird er - schon rein thematisch - eventuell auch Mutti, Vati, Großeltern und die jüngeren Sprosse der Familie gleichzeitig begeistern, doch dies ist hier keineswegs ein Signal für Beliebigkeit, vielmehr eins für einen erstaunlich warmen, klugen, witzigen und teils erfrischend schrägen Film. Ein echtes Meisterwerk voller Humor, Melancholie und süßer Bitterkeit, ein ewiges Hin und Her zwischen Tränental und akutem Lachflash.

Das soll Juan Jose Campanella erst einmal einer nachmachen, eine ergreifende Geschichte zu erzählen, die ihrem Zuhörer nicht weniger als Zusammenhalt, Reue und Aufrichtigkeit ins Herz empfiehlt. Und wenn dann die Großfamilie gemeinschaftlich kichert und seufzt, dann ist der Plan doch aufgegangen. Merveillosa, Señor Campanella!

Originaltitel: EL HIJO DE LA NOVIA

Argentinien 2001, 124 min
Verleih: Movienet

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Ricardo Darín, Héctor Alterio, Norma Aleandro

Regie: Juan José Campanella

Kinostart: 30.01.03

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.