Originaltitel: LA FLEUR DU MAL

F 2003, 104 min
Verleih: Concorde

Genre: Drama

Darsteller: Nathalie Baye, Benoît Magimel, Suzanne Flon, Bernard Le Coq, Mélanie Doutey, Thomas Chabrol

Stab:
Regie: Claude Chabrol
Musik: Matthieu Chabrol

Kinostart: 24.07.03

Noch keine Bewertung

Die Blume des Bösen

Unkraut pflegen im Bürgergarten

Chabrol hat sich mit oft erschreckender Hintergründigkeit einen Namen als perfider Gärtner in den blühenden Oasen des Bürgertums gemacht. Die Baudelaire zitierende Ambivalenz dieses vielleicht eingängigsten Titels seiner opulenten Filmographie läßt ahnen, daß er es dabei vorzüglich mit Unkraut zu tun hat. Diesmal pflügt er die geheimnisvolle Brache hinter dem Bindestrich eines Doppelnamens und beginnt damit im malerischen Garten (wo sonst?) der Familie Charpin-Vasseur. Gestreichelt von Zweigen, gleitet die Kamera hinüber ins Haus, die Treppe hinauf. Ein Toter liegt hier, eine Frau hält sich die Hände vors Gesicht. Dieser Prolog deutet Vergangenheit und Zukunft der Charpin-Vasseurs gleichermaßen an und liegt als Schatten über jedem einzelnen Familienmitglied.

Chabrol stellt die Damen und Herren vor: Tante Line, der ewig pastellfarbene, freundliche Geist des Hauses, ihre Nichte Anne, die sich um ein Bürgermeisteramt bemüht, beargwöhnt von ihrem weibstollen Ehemann Gérard. Dazu Annes großäugige Tochter Michèle, die sich glühend auf die Heimkehr ihres Cousins François freut, der gleichzeitig auch ihr Stiefbruder ist. Sein mehrjähriger Aufenthalt in den USA konnte ihm die Liebe zu Michèle nicht austreiben. Puh, sehr erfreut! Aber noch hält man nur die Wurzelenden des Stammbaums in den Händen. Chabrol gräbt sich weiter zurück und mutet seinem Publikum genealogische Schwerstarbeit zu. Vor allem Tante Line sollte man an den Lippen hängen, um seine Geschichte um Inzest, Vatermord und Heuchelei schließlich bis in die Zeit der faschistischen Besatzung verfolgen zu können.

Gnadenlos wie eh und je, erfaßt Chabrol eisige Fremdheit zwischen Vertrauten. Das Gallige und Biestige früherer Filme erreicht er jedoch nur selten. In zu vielen Andeutungen verrät sich das Unaussprechliche. Die Handlung ist oft bis an die Grenze zum Stillstand entdramatisiert. Liebevoll dekoriert mit geschmackvollem Bürgerbarock aus schönen Menschen und ebenso schönen Interieurs, ist die ganze Abgründigkeit hier doch vor allem eines: gepflegt.

Doch manchmal fließt es, das süße Gift - in Sätzen zum Mitnehmen: "Je ärmer die Menschen, desto gemeiner ihre Hunde."

[ Sylvia Görke ]