Originaltitel: L’APPARITION

F 2017, 137 min
FSK 12
Verleih: Filmperlen

Genre: Drama, Thriller, Mystery

Darsteller: Vincent Lindon, Galatea Bellugi, Anatole Taubman, Elina Löwensohn, Claude Lévèque

Regie: Xavier Giannoli

Kinostart: 13.12.18

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Die Erscheinung

Kaum zu glauben!

Warum ist „Mißbrauchsbeauftragter“ noch nicht zum Unwort des Jahres gewählt worden? Ein Unding! Die katholische oder evangelische Kirche werden lieber öffentlich „gelobt“ und bekommen „Respekt“ dafür, daß sie die Verbrechen unter ihren Dächern noch einmal besehen, wenngleich die Verjährung dem Ganzen oft die Schärfe nimmt. Und warum wird diese „Aufarbeitung“ nicht viel offensiver journalistisch verfolgt?

So, das mußte raus! Merci, Monsieur Giannoli, das haben Sie mit DIE ERSCHEINUNG schon mal geschafft. Gut unterhalten hat dieser Franzose aber nicht minder, denn der Regisseur weiß, wie er ein gesellschaftlich relevantes Thema von den Menschen her betrachtet, wie er in Leerräume von Existenz und Glauben geht, und wie man von Letzterem abfällt. Auf der Suche nach der menschlichen Wahrheit, wie Giannoli sagt, nicht als Theologe oder Philosoph, sondern schlicht als Filmemacher.

Jacques Mayano wischt Blut von der Kamera. Der Journalist war mit seinem Freund und Kollegen im nordirakischen Mossul unterwegs, als sie attackiert wurden. Jaques kehrt heim nach Frankreich, läßt sich behandeln. Es ist der Kopf. Das Ohr. Zur Ruhe kommt er nicht, denn ein nächster Auftrag drängt. Er, der Atheist, wird vom Vatikan (an-)gerufen, reist aus nicht sehr eindeutigen Gründen nach Rom und nimmt die Offerte der Kirche an, für sie investigativ tätig zu werden. Der Anlaß: Mutmaßlich hatte eine junge Frau im Süden Frankreichs eine Marienerscheinung. Die Sache verselbständigt sich bereits, Busladungen mit Pilgern werden im Dorf abgeladen, die Gemeinde zelebriert es gern, für acht Euro werden Schneekugeln mit Annas Konterfei verkauft, einmal am Tag läutet die 18jährige selbst die Glocken – und sie klingen angeblich anders.

Den Oberen im Vatikan ist das alles nicht geheuer, wobei sie es noch zynisch-locker nehmen. Manchmal beruhige sich die Sache selbst, wenn ein Priester eingesetzt würde. Oder ein Psychiater. Man ordnet eine kanonische Untersuchung an mit Mayano als Motor, der zum Ermittler wird. Was er vor Ort über die Wahrheit in all ihren Aggregatzuständen erfährt, schüttelt ihn selbst am meisten durch.

DIE ERSCHEINUNG erlaubt sich nur im Zeichnen eines deutschen Kirchenmannes gängige Stereotypen. Weil aber der kriminalistische Aspekt und das menschliche Dilemma betont werden, gewinnt der Film am Ende als Thriller. Mit Nebenwirkungen.

[ Andreas Körner ]