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Die Frau des Anarchisten

Ein europäisches Erbauungsfilmchen

Das waren noch Zeiten, damals, als Spaniens Himmel seine Sterne über den Schützengräben idealistischer Revolutionäre ausbreitete. Diese waren allesamt asketische Drei-Tage-Bartträger mit glühenden Augen unter der hohen Stirn. Todesmutige Genossen, bereit, dem General Franco und seiner Faschistenbande die Leviten zu lesen.

Es ist unter anderem diese Revolutionsfolklore, die dem Film DIE FRAU DES ANARCHISTEN allzu oft das Wasser der Glaubwürdigkeit abgräbt. Was sonst noch, dazu gleich mehr.

Mit DIE FRAU DES ANARCHISTEN versuchte sich das Regisseurs-Duo Marie Noëlle und Peter Sehr – inspiriert von der Lebensgeschichte der Großeltern Marie Noëlles – an einer Mischung aus Historienepos und Adoleszenzdrama. Denn erzählt wird nicht nur von Manuela, der titelgebenden Anarchistenfrau und ihrem Mann Justo, dem heroischen Kämpfer gegen die Francisten. Erzählt wird vor allem von Tochter Paloma. Ihren Vater kennt sie kaum, ihrer Mutter ist sie immer öfter Stütze. In Einsamkeit und Mühsal eines zermürbenden Kriegsalltags genauso wie im darauf folgenden Alptraum der Francoära. Eine kleine Familie in stürmischen Zeiten.

Das klingt vielversprechend und hält dann doch recht wenig. DIE FRAU DES ANARCHISTEN ist zu episch im Habitus, um psychologisch zu erzählen. Und fürs große epische Drama, das der Film durchaus hätte sein können, schlummert wiederum die Spannung zu sehr im Kuschelbett inszenatorischer Gediegenheit. Der Krieg ist da sehr fotogen und die privaten Konflikte und ihre emotionale Facetten erscheinen allzu oft in einem Gestus, der so staubig ist, wie die Schützengräben vor Madrid. Und ein wenig seltsam ist dann auch, wie diese europäische Ko-Produktion mit dem wohlmeinenden und explizit europäischen Thema (nein, wir sagen nicht „Europudding“) stilistisch zwischen wirklich ganz konventionellem Hollywood, ARTE-Themenabend (nein, wir reden hier auch nicht davon, wie das Fernsehen Kinofilme klein macht) und alt-sowjetischem Revolutionspoem schwankt.

Nur das hier am Ende gleichsam lehrreich und belehrend und selbstredend in einem Off-Monolog nicht der Sieg des Kommunismus, sondern der Freiheit, somit der Demokratie, verkündet wird. Da reifte quasi die Revolutions- zur Geschichtsfolklore und ein eigentlich spannendes Sujet zum Erbauungsfilm zwecks Schulung europäischen Selbstbewußtseins. Gut und schön. Aber kaum tolles Kino.

Originaltitel: THE ANARCHIST’S WIFE

D/F/Spanien 2008, 115 min
Verleih: Zorro

Genre: Drama, Familiensaga, Kriegsfilm

Darsteller: Maria Valverde, Juan Diego Botto, Nina Hoss, Ivana Baquero, Irene Montalá

Regie: Marie Noëlle, Peter Sehr

Kinostart: 30.04.09

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.