Originaltitel: POKOT

Polen/D/Tschechien 2017, 128 min
FSK 12
Verleih: Film Kino Text

Genre: Thriller, Drama

Darsteller: Agnieszka Mandat, Wiktor Zborowski, Miroslav Krobot, Jakub Gierszał

Regie: Agnieszka Holland

Kinostart: 04.01.18

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Die Spur

Menschen versus Tiere

Ein kalter Morgen im Spätherbst: Die Sonne geht gerade über dem Horizont auf, taucht Berge, Bäume, Gräser und eine ältere Frau in ein klares Licht. Zwei schwarz-weiße Hunde tollen übermütig um sie herum. Das Gesicht der Frau leuchtet geradezu angesichts all der Schönheit. Man spürt, sie ist eins mit sich und der Natur.

Dieser elegische Moment steht am Anfang von DIE SPUR. Doch der innere Frieden von Janina Duszejko, so heißt die kräftige Frau mit den langen grauen Haaren, wird jäh zerstört. Eines Abends sind ihre geliebten Hunde nicht mehr da und werden auch nicht wiederkommen. Der Verdacht liegt nahe, daß sie Jägern vor die Flinte liefen, die den Wildreichtum der Gegend ausbeuten. Kurz darauf liegen nicht nur Tiere tot im Schnee, sondern auch Menschen. Alle waren sie leidenschaftliche Jäger. Duszejko hat ihre eigene Theorie angesichts dieser Todesfälle: Die Tiere rächen sich für die Grausamkeiten, die ihnen angetan wurden. Die Polizei des kleinen Städtchens an der polnisch-tschechischen Grenze stempelt sie schnell als Verrückte ab, zumal sie auch noch darauf besteht, das Schicksal eines jeden Menschen anhand seines Geburtshoroskopes deuten zu können. Ein junger Polizist fragt sie etwas ratlos in einer Szene, warum Frauen in ihrem Alter Tiere oft wichtiger sind als Menschen.

Tatsächlich gibt es in der Welt der charismatischen Außenseiterin genau wie im ganzen Film nur eindeutig gute oder böse Menschen. Böse ist die patriarchale Mehrheitsgesellschaft, deren herausgehobene Repräsentanten die Jäger sind. Auch der Priester ist Jäger und damit Sinnbild der kirchlichen Bigotterie. Duszejko – sie weigert sich beharrlich, bei ihrem Vornamen gerufen zu werden – hingegen ergreift für die Schwachen Partei: für die Tiere, für die Kinder, für die gedemütigten und benutzten Frauen, für die jungenhaften Männer.

Agnieszka Hollands Film läßt sich keinem Genre zuordnen. Er ist ein wagemutiger Mix aus Krimi, Märchen und politischem Kommentar auf die Verhältnisse in Polen. Erstarken dort wie fast überall in Europa doch seit Jahren die restaurativen Strömungen der Gesellschaft, welche die „guten alten Zeiten“ propagieren. Gleichzeitig irritiert die moralische Rigorosität des Filmes, über die sich trefflich streiten läßt. Unumstritten jedoch ist die Leistung von Hauptdarstellerin Agnieszka Mandat. Ihre fulminante Darbietung hält den Film trotz seiner Widersprüchlichkeit zusammen.

[ Dörthe Gromes ]