CH 2015, 85 min
FSK 6
Verleih: DCM

Genre: Biographie

Regie: Sabine Gisiger

Kinostart: 05.11.15

Noch keine Bewertung

Dürrenmatt: Eine Liebesgeschichte

Reflexion und Bilanzierung

„Je älter man wird, desto stärker wird der Wunsch, Bilanz zu ziehen. Der Tod rückt näher, das Leben verflüchtigt sich. Indem es sich verflüchtigt, will man es gestalten. Indem man es gestaltet, verfälscht man es. So kommen die falschen Bilanzen zustande, die wir Lebensbeschreibungen nennen.“ Man muß hören, wie Dürrenmatt das sagt. Alt genug, um beim Reden vom sich verflüchtigenden Leben das eigene zu meinen. Dabei aber weder bitter oder verzweifelt, eher fatalistisch, gar amüsiert. Und das in schweizerischer Stimmfärbung, die für deutsche Ohren ja immer etwas von jener abgeklärten Gemütlichkeit hat, zu der Bitterkeit und Verzweiflung eben nicht so recht passen wollen.

Sabine Gisiger nennt ihren Film DÜRRENMATT: EINE LIEBESGESCHICHTE, dessen Anlaß wohl der diesjährige 25. Todestag des Schriftstellers am 14. Dezember sein dürfte. Und doch hat Gisigers Porträt nichts von der deprimierenden Routine der Pflichtschuldigkeit, mit der oft an Dichter erinnert wird, die einstmals berühmt waren – und heute kaum mehr als den traurigen Status der „Schullektüre“ markieren. Denn an den Theatern wird der einstmals Spielpläne füllende Dürrenmatt so gut wie kaum noch aufgeführt. Sein pessimistisches Weltbild, das Existenz und Geschichte nur als Groteske darzustellen vermochte, scheint mit dem heutigen Zeitgeist nur bedingt kompatibel. Ein paar Krimis („Der Richter und sein Henker“, „Das Versprechen“) mögen bleiben. Aber sonst?

Vielleicht ist das Entscheidende an Gisigers Film, daß man sehr schnell auf dieses „aber sonst“, von dem man selbst nicht ganz frei ist, pfeift. Es mag an dem Kniff liegen, daß hier Dürrenmatts Lebensgeschichte über eine, nein, zwei Liebesgeschichten erzählt wird. 40 Jahre war der Schriftsteller mit der Schauspielerin Lotti Dürrenmatt-Geisler verheiratet. Deren Tod stürzte ihn 1983 in eine schwere Krise, aus der aber eine neue Liebe half. Die zur Filmemacherin Charlotte Kerr, Dürrenmatts zweite Ehefrau.

Es ist diese private Perspektive, die Gisiger wie einen Filter nutzt beim Blick auf Leben und Werk des Schriftstellers. Dessen zwei Kinder und die Schwester wiederum dieses Leben und Werk zudem gleichsam wie aus einer familiären Innenschau heraus reflektieren und bilanzieren. Und Dürrenmatt, der sich doch verflüchtigt zu haben schien, konturiert sich aufs Neue. Ob man ihn gleich anders, gar neu lesen wird, ist zweitrangig. Daß man aber Lust bekommt, ihn (wieder) zu lesen, ist ein Verdienst dieses Films.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.