D 2022, 101 min
FSK 12
Verleih: Sony

Genre: Komödie

Darsteller: Florian David Fitz, Anke Engelke, Justus von Dohnányi, Nilam Farooq, Thomas Loibl, Torben Kessler, Thorsten Merten

Regie: Sönke Wortmann

Kinostart: 14.04.22

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Eingeschlossene Gesellschaft

Jetzt gib aber mal ’n Punkt!

Kurz vor Wochenende, High-Noon-Atmosphäre im ausmaßtechnisch einer kleinen Aula ähnelnden Lehrerzimmer, hat der coole Sportfuzzi (mit Zweitjob im Käseladen seiner Gattin) doch wieder unrechtmäßig den Parkplatz des Dienstältesten (40 Jahre Berufserfahrung, ein verkrustetes Urviech) besetzt. Außerdem anwesend: der gütige Lieblingspädagoge (Kumpeltyp Galore), ein verhuschter Chemiemensch (streng duftend und dem Periodensystem zu sehr zugetan), eine bislang eher ignorierte und daher weitgehend unbekannte Referendarin (vorerst ohne Eigenschaften) sowie Heidi Lohmann (laut Kollegenanalyse keine MILF).

Bevor sich der Lehrkörper jetzt gegenseitig empfindliche Verletzungen an selbigem zufügt, klopft es, was ärgerliche Spekulationen auslöst: Besitzt ein Schüler die Frechheit …? Scheint wohl so, schließlich ist die freundlich auf mittwochs um 10 terminierte Elternsprechstunde vorbei. Das störende Subjekt zeigt Hartnäckigkeit, genervt öffnet man einem wütend-verzweifelten, bewaffneten Vater; Sohn Fabian fehlt zur Abiturzulassung ein lumpiger Punkt. Im brandheißen Fach Latein. Nach gescheiterten Überredungsversuchen in Geiselhaft genommen, soll das Sextett konferieren und final besagten Punkt erteilen, einstimmig. Und wirklich hebt großes Reden an – allerdings kaum Fabian betreffend.

Der vetrauten Manier folgend bergen fortan heroisch herausgekeuchte Floskeln à la „Nur über meine Leiche!“ spontan hohes Gefahrenpotential, während weiße Westen häßliche Flecken abkriegen, kollektiver Zusammenhalt recht rückstandsfrei verpufft, sogar hinter der niedlichsten Larve etwas wenig Adäquates lauert und Moralkeulen zerschmetternde Wucht entfalten. Besonders Heidi, flächendeckend als „Hexe“ verschrien (tatsächlich könnte beim Entstehen solcher Haartracht finstere Magie gewirkt haben), tanzt schrill geifernd um einen imaginären Kessel voll giftig blubbernder Galle, verteufelt von Namensvetterin Klum über Grillgut bis hin zu allgemeinen humanen Gefühlsregungen vermeintlich Unwertes. Verloren die seligen Zeiten, da allerorts statt moderner unzivilisierter Musik Schuberts „Das Mädchen aus der Fremde“ erklang!

Der Selbstdemontage einer Gruppe schrecklicher Menschen vor Schulhintergrund hat Sönke Wortmann ja schon in FRAU MÜLLER MUSS WEG! zugeschaut, stellt man beide nebeneinander, hinkt der Quasi-Vorgänger indes plötzlich. Noch kräftiger zubeißend jene EINGESCHLOSSENE GESELLSCHAFT, harmonischer das teilweise recycelte Ensemble, temporeicher die Inszenierung, obwohl auch Rückblenden, Plansequenzen oder sanfte Kamerafahrten dem Dauerdiskutieren nie die zwischen TV-Optik und Theaterablichtung pendelnde Statik nehmen. Sei’s drum! Wortmann und Vorlagen-/Drehbuchautor Jan Weiler pulen nicht parteiisch in Wunden, tarieren schön überkandidelt aus, wo elterlicher Beschützerinstinkt zur privaten Entgleisung mutiert und Verzicht auf höhere Weihen die klügere Wahl wäre, andererseits das Bildungswesen durch seine eigenen Lücken rutscht, ganz zu schweigen von einst idealistischen Berufsanfängern, in denen System, Zeitenwandel und Eislaufmuttergekreisch manches Dunkel aufstauten. Wie hier nun hemmungslos die Dämme brechen, macht das Beste draus, konkret: einfach Spaß.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...