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Eislimonade für Hong Li

Eine Rückkehr als Egotrip

Thomas Billhardt hat sich schon immer für Menschen interessiert. So zog es ihn vor über 30 Jahren in ein Land, welches vom Krieg gezeichnet war und drei Dekaden später zu einem der hoffnungsvollsten Tigerstaaten werden soll: Vietnam. Er hat die Menschen fotografiert, ihr Elend festgehalten, nicht weggeschaut, auch wenn es kaum auszuhalten war. Damit ist seine humanistische Mission eigentlich auch schon zu Ende, doch Billhardt interessiert sich immer noch für Menschen, im vorliegenden Film leider vor allem für sich selbst. So gerät seine Reise, die eine Rückkehr ist, zur Nabelschau, zur Souvenirjagd.

Wenn Billhardt alten Bekannten begegnet, wird man das ungute Gefühl einfach nicht los, daß er nur im eigenen Auftrag unterwegs ist. Daraus ist ein Film entstanden, der eigentlich sehr wenig zu erzählen hat - und dies dann auch noch mit einschläfernder Betulichkeit. Regisseur Ratsch verfranzt sich bei dieser Reise, deren eigentliches Ziel die Suche nach dem einstigen Mädchen Hong Li ist, in unzählige Nebenstränge. Er läßt Billhardt ungebremst und ein wenig würdelos durch Vietnam poltern. Menschen werden überrumpelt, getätschelt, geknufft - irgendwie unhöflich. Außerdem ist es traurig, daß er trotz seiner zahlreichen Reisen kein Wort Vietnamesisch zu sprechen scheint. So dröhnt er pausenlos und unverstanden auf Deutsch durch Hanoi, radebrecht auf Englisch und Russisch - seine Gegenüber verlieren das Lächeln trotzdem nie. Die traurige Bilanz dieser Doku: Billhardt erliegt einem eigentlich tragischen Irrtum. Denn das unendliche Leid der Vietnamesen ist einfach nicht sein Leid. Er kann Anteil daran haben, doch er versucht, es zu assimilieren, zu verkörpern. Großväterlich watscht Billhardt sämtliche Wiederbegegnungen hilflos mit einem "Na, das ist aber eine Überraschung!" ab. Derart plump werden Ratsch und Billhardt dem Land Vietnam und der Stadt Hanoi einfach nicht gerecht. Im Gegenteil: ihr Eifer wird gar von einer beschämenden Ignoranz übertroffen.

An ein Wort erinnert sich der Weltenbummler dann doch noch: Kon Voi. So nannten die Vietnamesen die Ausländer, ihrer Haare am Arm und der langen Nasen wegen. Kon Voi heißt Elefant, und genau so trampelt Billhardt bei seiner Rückkehr auch durchs Land. Schade.

D 2000, 90 min
Verleih: Progress

Genre: Dokumentation

Regie: Dietmar Ratsch

Kinostart: 03.07.03

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.