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Familia Rodante

Motorisiertes Chaos

Der Puls geht auf 180, der Geräuschpegel kommt dem einer Flughafeneinflugschneise gleich - keine Angst, die Familienzusammenkünfte in Emilias Haus in Buenos Aires müssen so sein. Heute wird ihr 84. Geburtstag gefeiert, und als sie die Kerzen auf ihrer Torte ausbläst, gehen auch bei ihr für einen kurzen Moment die Lichter aus. Es wird die Hitze gewesen sein, oder die Aufregung oder beides. Schon machen sich ihre Kinder Sorgen, aber Emilia ist robust, keine Panik also. Kaum ist eine Aufregung überstanden, kommt die nächste in Form eines Anrufes: Emilia soll Trauzeugin bei ihrer Nichte werden, daheim im Geburtstort am anderen Ende des Landes. Und ihre Familie soll sie auch mitbringen. Gesagt, getan, 14 Menschen, vier Generationen, ein Wohnmobil Baujahr 1956 und mehr als 1000 Kilometer Reisestrecke.

FAMILIA RODANTE - Familie auf Rädern, treffender konnte Pablo Trapero seinen Debütfilm nicht betiteln. Nicht nur, daß die Sippschaft gemeinschaftlich auf Achse geht, irgendwie hat auch jeder von ihnen gehörig ein Rad locker. Ob nun Marta von ihrem Schwager bedrängt wird, Oscar mit seinen Fahrkünsten beinahe alle ins Nirvana befördert, oder die süße Yanina in ihren nicht minder süßen Cousin verliebt ist, während dieser nur Augen für Yaninas beste Freundin hat - Hormonstau und Hierarchiestreitigkeiten sind an der Tagesordnung. Alte Konflikte treten zutage, neue werden geschürt, und wenn es am wenigsten paßt, bekommt jemand Zahnschmerzen. In all dem Chaos versucht Emilia, den Überblick zu behalten.

FAMILIA RODANTE setzt beim Zuschauer ein intaktes Nervenkostüm voraus, denn die aufgeputschte Geschäftigkeit von Familientreffen hat Pablo Trapero ganz hervorragend beobachtet und im Stammbaum Komik und Drama aufgespürt. Auch bringt er allen Vertretern der Großfamilie Sympathie entgegen und schreibt für jeden eine Biographie voller Verletzlichkeit, Widersprüche und vor allem Temperament. Mit einer echten Geschichte, die über eine Abfolge von Reisestationen und Episoden hinausgeht, tut sich Trapero jedoch etwas schwer.

Wie es sich aber für eine zünftige Familiengeschichte gehört, wird am Ende Hochzeit gefeiert. Emilia kann sich zurücklehnen und ihre Sippe beobachten, die ordentlich durchgeschüttelt wurde, aber auch diese abenteuerliche Reise gemeinsam überstanden hat.

Originaltitel: LA FAMILIA RODANTE

Argentinien 2004, 95 min
Verleih: Kairos

Genre: Roadmovie, Komödie

Darsteller: Graciana Chironi, Liliana Capurro, Ruth Dobel

Stab:
Regie: Pablo Trapero
Drehbuch: Pablo Trapero

Kinostart: 23.02.06

[ Roman Klink ]