Originaltitel: FREEHELD

USA 2015, 103 min
FSK 6
Verleih: Universum

Genre: Drama, Schicksal, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Julianne Moore, Ellen Page, Michael Shannon, Steve Carrell

Regie: Peter Sollett

Kinostart: 07.04.16

8 Bewertungen

Freeheld

Berührendes Kino über Unrecht und das Teilen bürgerlicher Träume

Es ist ganz wunderbar, wenn sich das Kino immer mal wieder darauf besinnt, daß es einst nicht nur für puristische Cineasten erfunden wurde. Für kauzige Eigenbrötler, die sich in ihrer Rätselhaftigkeit bisweilen einen Tick zu sehr gefallen, die vom Kino ständige Neuerfindung oder gerissene Zitate erwarten und dabei komplett übersehen, daß für nachkommende Generationen durchaus auch mal konventionell erzählte Geschichten genau die richtigen sein können. FREEHELD zum Beispiel. Hier wird garantiert nix neu erfunden, aber es wird von einer aufwühlenden, kämpferischen und zu Tränen rührenden Liebe erzählt, und das bitte sehr hat ja wohl für immer Gültigkeit. Zumal, wenn es außerdem um gleiches Recht, wenn es ganz schlicht um Fairneß, Solidarität und Menschlichkeit geht. Doch zwei Schritte zurück.

Es öffnet sich einem schon das Herz, wenn die ein ganzes Stück jüngere Stacie halb selbstbewußt, halb schüchtern geneigten Kopfes, wodurch man ihr eh nix ausschlagen kann, fragt, ob sie die Telefonnummer haben könnte. Kurz zuvor gab es diesen speziellen Blick und dieses geflüsterte „Thank You“ nach einer maßgeschneiderten Volleyballangabe. Keine Frage: Diese beiden Frauen gehören zusammen. Stacie, die Werkstattschrauberin, Laurel, die Polizistin, seit 20 Jahren im Dienst, kurz davor, der erste weibliche Lieutenant im Ocean County zu werden.

Mit sanftem Humor, wozu auch ein schöner Knarrenwitz beim ersten Date gehört, mit gebührender Ruhe und doch sehr verliebtem Blick wird vom Zusammenkommen eines schönen Paares erzählt, das trotz Höhenunterschieden beim Tanzen supersexy rüberkommt, das unvermeidliche Klischees von Karohemd und schweren Boots mit einer nonchalanten Selbstverständlichkeit verkörpert, das so schlichte wie berechtigte Träume teilt: Haus, Hund und am wichtigsten eine Frau an der Seite. Fürs Leben. Oder eben nicht, weil das Schicksal mal wieder bösartig ums Eck feixt. Es ist keine Muskelzerrung, die Laurel schmerzt, es ist Lungenkrebs. Im Finale. Und weil das Schicksal ein hydraköpfiges Aas ist, und weil die Vereinigten Amerikanischen Staaten das Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind, zu denen auch unbegrenzte Ungerechtigkeit gehört, gesellt sich zum ohnehin aussichtslosen Überlebenskampf auch noch die Schlacht um Würde und Gleichberechtigung: Üblicherweise gehen die Rentenansprüche eines verstorbenen Polizisten an dessen Ehepartner, bei homosexuellen Paaren war das mal wieder nicht so gedacht.

So wird aus dem hinreißenden Liebesfilm FREEHELD ein kämpferischer Justizthriller, der deutlich macht, in welch’ bigotter Gesellschaft wir leben, in der noch immer zweierlei Maß genommen wird, in der man um Gerechtigkeit und Würde betteln muß. Unter Kollegen und vor der Politik. FREEHELD ist auch ein kraftvolles Pamphlet gegen die konservativen Betonköpfe, diese erzreaktionären und meist doch selbstverlogenen Typen, welche als Folge fehlinterpretierter Christlichkeit für sich allein Recht und Ordnung beanspruchen und gleiches anderen verwehren. Diese Puristen mit ihrem reflexartigen Geschnaufe, wenn es ums Teilen bürgerlicher Träume geht, wenn ein Stück vom Spießbürgerkuchen auf dem ihres Erachtens falschen Teller landet!

Und dennoch: Bei aller „We’re Gonna Beat This“-Attitüde, die richtig und in diesem zauberhaften Heuler geradezu mitreißend ist, hat Regisseur Peter Sollett ein gutes Händchen für bestens gespickten Humor. Dafür sorgt auch der von Steve Carrell gegebene schlagkräftige Schwulenaktivist Goldstein, und auch Julianne Moores großartige Farrah-Fawcett-Gedächtnis-Frisur leistet ganze Arbeit!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.