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Fritz Lang

Dokudrama ohne Doku

Ein Biopic über Fritz Lang – muß das nicht ebenso gigantisch ausfallen wie Langs METROPOLIS? Doch halt, Gordian Maugg verfolgt einen sehr anderen und logischen Ansatz, um sich einem der größten Regisseure aller Zeiten zu seinem 40. Todestag zu nähern. Das Filmplakat zu FRITZ LANG zitiert das berühmte Motiv aus dessen erstem Tonfilm M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER: Der Killer wirft einen entsetzten Blick über die Schulter, als er im Spiegel das „M“ erkennt, das wie ein Mal der Schuld auf seinen Mantel geschrieben steht. Doch es ist nicht Peter Lorre, sondern Heino Ferch, und der spielt hier auch nicht den Mörder, sondern den Regisseur – erkennbar an seinem Monokel.

FRITZ LANG ist eine Phantasmagorie über die Entstehung eines legendären Filmwerkes, das an einem Wendepunkt von Langs Karriere und Privatleben steht. Bald darauf trennt er sich nämlich von seiner Frau und Drehbuchautorin Thea von Harbour. Mit ihr verbindet ihn auch eine Schuldgeschichte. Seine erste Frau starb durch einen Schuß aus seinem Revolver, nachdem sie Langs Affäre mit Habour entdeckt hatte. Selbstmord? Bis heute ist das nicht geklärt. Doch Maugg nimmt die Fährte dankbar auf und schickt einen von seinen inneren Geistern getriebenen Fritz Lang auf die Spur von Peter Kürten, der „Vampir von Düsseldorf“, dessen Serienmorde bekanntermaßen eine Inspirationsquelle für M waren. Ob nun Lang wirklich zur Recherche selbst in Düsseldorf war, dem Kriminalkommissar bei der Ermittlung über die Schulter schaute und vis-à-vis mit dem Mörder Interviews im Gefängnis führte wie Truman Capote für „Kaltblütig“ – nun, das ist die Freiheit der Fiktion, die Maugg mit strengen Schwarz-Weiß-Bildern und dramatischen Momenten auffüllt.

Einen Stolperstein hat er sich dabei selbst gelegt: Er versucht, seinem Spielfilm einen dokumentarischen Anstrich zu geben und bettet seine inszenierten Szenen in historisches Filmmaterial aus der Weimarer Republik. Lang fährt Taxi durch das reale nächtliche Berlin von damals – der Schnitt und die digitale Bildbearbeitung machen es möglich. So faszinierend das Verfahren, so sehr lenkt es andererseits von der Handlung ab. Das Schauspiel wirkt auf einmal wie Reinactment, ohne daß es etwas nachzustellen gäbe: ein Dokudrama ohne Doku.

Aber vielleicht ist es den Versuch wert. Schließlich hat sich das klassische Biopic auch so allmählich erschöpft. Und wenn man den Film als Anlaß nimmt, um sich M digital anzuschauen. Der Kinostart des restaurierten Klassikers erfolgt parallel.

D 2015, 104 min
FSK 12
Verleih: W-Film

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Heino Ferch, Johanna Gastdorf, Thomas Thieme, Samuel Finzi

Regie: Gordian Maugg

Kinostart: 14.04.16

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...