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Gold (2013)

Vom Verlust ziviler Regeln

Als Emily Meyer aus dem Zug aussteigt, erwarten sie trockene Sträucher, sandiger Boden und ein paar Leute, die gerade einen Zeltwagen bepacken. So sieht also ihr Neuanfang aus. Die junge Frau hatte viele Jahre für einen Hungerlohn gearbeitet. Nun schließt sie sich dieser Gruppe deutscher Auswanderer an, um sich auf den Weg zu den neu entdeckten Goldfeldern im Norden Kanadas zu machen.

In einem Antiquariat hatte Berliner-Schule-Regisseur Thomas Arslan Aufzeichnungen und Bilder zum Klondike-Goldrausch Ende des 19. Jahrhunderts gefunden. Die Geschichte der über fünf Millionen Deutschen, die nach Amerika auswanderten und zum Teil erneut aufbrachen, um ihr Glück zu suchen, hat ihn so fasziniert, daß er einen Film daraus gemacht hat. GOLD ist aber kein klassischer Western, obwohl auch hier unentdecktes Land erkundet wird. Gut und Böse stehen sich nicht mit Pistolen gegenüber, während schöne Frauen auf der Veranda warten. Vielmehr entwirft Arslan eine rauhe Welt, in der die Menschen der Armut entfliehen, komme was wolle. Geld ist die treibende Kraft, über ihre Grenzen zu gehen. „Ich habe nichts, wofür es sich lohnen würde zurückzukehren“, sagt Emily, während sich der kauzige Rossmann ein Bild von Frau und Kindern anschaut, die zu Hause auf ihn warten. Arslan nähert sich seinen Protagonisten bedacht und ergründet die physischen und psychischen Strapazen, die diese Zeit und die Reise mit sich bringen.

Schnell zurren sich die Verhältnisse in der Reisegruppe fest. Emily – die Rolle ist Nina Hoss einmal mehr auf den Leib geschneidert – ist die Unnahbare, Wortkarge, bewundert und beneidet. „Eine Frau, die sich ganz allein einer wildfremden Gruppe von Menschen anschließt, um Gold zu suchen. So was bringt Unruhe in die Gruppe ...“, sagt Maria zu ihrem Mann Otto, die gemeinsam jeden Abend Trockenpulver zu Essen verkochen. Der Anführer des Tracks, Wilhelm Laser, lockt mit kleinen Goldkügelchen in der Tasche und kann schon nach kurzer Zeit nicht mehr verbergen, daß er die Strecke durch den kanadischen Dschungel doch nicht so gut kennt. Das Mißtrauen gegen ihn wächst, und die Dynamik in der Gruppe verschiebt sich. Auch der Journalist Gustav Müller schürt kaum Vertrauen, und so zerfällt die Reisegruppe mit jedem Schritt, den sie tiefer in den scheinbar endlos weiten Wald hineinsetzt, in ihre einzelnen Teile.

Die überall lauernden Gefahren graben sich subtil an die Oberfläche. Arslan entwickelt eine ganz eigene, subtile Spannung, Dialoge setzt er sparsam ein, läßt stattdessen Bilder und Landschaft sprechen: Da bricht ein Rad, dort stürzt ein Pferd, ein andermal läuft ein verwilderter Wanderer allein durchs Nirgendwo. Recht und Ordnung geraten allmählich aus dem Blickfeld, und Emilys anfangs weiße Bluse wird immer dreckiger. Sie aber bleibt die Starke, auch als sich Gefühle entspinnen und Verzweiflung breitmacht. GOLD, der bei der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb lief, ist nicht nur ein stiller und atmosphärischer Film, sondern durchaus auch ein feministischer, der auf gängige Rollenklischees dieser Zeit verzichtet.

Wenn man so möchte, dann ist GOLD ein Western, in dem die Pistolen vergessen wurden, ein historisches Road Movie zu Pferd. Vor allem aber ist er eine Reise ins Ungewisse, die zeigt, was aus Menschen wird, die auf der Suche nach Wohlstand die Regeln der Zivilisation aus den Augen verlieren.

D/Kanada 2013, 101 min
FSK 12
Verleih: Piffl

Genre: Western, Drama

Darsteller: Nina Hoss, Marko Mandic, Lars Rudolph, Uwe Bohm, Peter Kurth

Regie: Thomas Arslan

Kinostart: 15.08.13

[ Claudia Euen ]