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Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard

Draufsicht und Innenansicht eines Rattenfängers

Bhagwan Shree Rajneesh: „Der Osten blieb einseitig wegen der sogenannten Spiritualität arm, unwissenschaftlich, ohne Technologie. Der Westen hat den Materialismus gewählt. Aber die Menschen sind leer. Ohne Spiritualität gibt es kein Zentrum. Der westliche Mensch ist ein halber Mensch, der östliche Mensch ist ein halber Mensch, ich versuche, den ganzen Menschen zu kreieren.“

In den 70ern brachen ganze Scharen meist junger „halb-menschlicher“ und wohl auch recht „leerer“ Westler ins indische Poona auf, um dort unter einschlägiger Anleitung die Stufe zum, wie es immer so schön heißt, ganzheitlichen Sein zu vollziehen. An die Kandare ließen sie sich dazu bereitwillig von obig zitiertem Bhagwan Shree Rajneesh nehmen. Sannyasin nannten sich dessen Jünger hinfort – ein Begriff aus dem Sanskrit, der, vereinfacht gesagt, ein von spiritueller Suche bestimmtes Leben definiert.

Daß Bhagwans Intentionen nicht so ganz ausschließlich spiritueller Natur waren, ist heute hinlänglich bekannt. Die Übersiedlung der Sekte in die USA, die rigiden bis psychotischen Strukturen innerhalb der Hierarchie unter den Sannyasin, die kriminelle Energie, mit der der weißhaarige Zausel dank seiner Jünger bald zum luxusgeilen Opa mutierte: All das zeigt noch einmal GURU – BHAGWAN, HIS SECRETARY & HIS BODYGUARD.

Ein Film, der es vermag, der nüchternen Draufsicht anhand von Gesprächen mit ehemaligen Jüngern aus dem inneren Kreis der Sekte – eben mit des Gurus Sekretärin und Leibwächter – die vertiefende Innenansicht an die Seite zu stellen. Das verhindert wohlfeile Überheblichkeit im Angesicht von Menschen, die meinten, zu ihrer wahrhaftigen Menschwerdung bedürfe es eines, nun ja, Führers, der mit viel aufgeblähter Rhetorik, etwas Charisma und nicht zuletzt der Verheißung sexueller Freiheit die Entdeckung des „wahren Selbst“ versprach. Die Euphorie, die diese Lockungen verursachten, die Ernüchterungen, die folgten, die heutige kritische Distanz (seitens des Ex-Leibwächters) und die immer noch hartnäckige Loyalität (seitens der Sekretärin) erzählen sehr genau von der Anfälligkeit auch intelligenter Menschen für Demagogie.

Denn mißtrauisch aufhorchen sollte man immer, wenn da jemand den „ganzen Menschen kreieren“ will. Auch wenn angesichts der Leichenberge, die in der Geschichte andere ob derlei Ambitionen hinterließen, Bhagwan freilich einfach nur jene Obskurität bleibt, als der er auch in dieser Doku noch einmal aufscheint.

CH 2010, 98 min
Verleih: Pandora

Genre: Dokumentation

Regie: Sabine Gisiger, Beat Häner

Kinostart: 16.12.10

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.