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Im Dreieck

Die Geometrie der Gefühle

Man nannte ihn respektvoll „den Baulöwen“: Als gerade mal 27jähriger war Heiner Hinrichs der erfolgreichste Bauleiter der DDR, gestaltete Halle-Neustadt von Grund auf, zog in Rekordzeit ein Hotel hoch – und hatte nicht unbeträchtlichen Schlag bei der Weiblichkeit. Heute hat Heiner die 70 überschritten, lebt in einer Plattenbauwohnung, die fast zu wenig Platz für ungefähr 2000 Bücher und bloß eine Mini-Badewanne bietet. Letztere ein Übel der Sanierung und so klein, daß ehemalige Wasserspiele „mit einem rassigen Weib“ zwangsweise der Vergangenheit angehören müssen. Auch mehrere Krankheiten plagen den nun älteren Herrn – oder, wie es Ingrid, eine seiner Lebenspartnerinnen, nicht ohne Bitterkeit formuliert: „Nur die große Fresse ist bei ihm noch in Ordnung.“

Moment mal. Eine seiner Lebenspartnerinnen? Ja, genau, richtig gelesen, es gibt eine weitere Dame. Während Ingrid, auf höchste Ordnung und Effizienz bedacht, den bevorstehenden Umzug organisiert, putzt und räumt, vertritt Heide eher den ablenkenden Part. Man picknickt zu zweit, grillt, Heiners Ton scheint weicher, er nennt sie „mein Kätzchen.“ Beide Frauen wissen voneinander, lernen sich aber während der Dreharbeiten erstmals live kennen.

Da kann man den Filmtitel mehrdeutig lesen, zunächst entwirft diese Doku ein faszinierendes Triptychon aus Geschichtsschau, Lebensrückblick und Zustandsanalyse, gezimmert aus den zwar üblichen, jedoch stets interessant montierten Puzzleteilchen: Archivaufnahmen, Interviews, Erinnerungen. Letztere fallen durchaus sehr offen aus, passend zur häufig herzlich rauhen Sprache, die Heiner pflegt, oft allerdings auch intim, wenn es beispielsweise um die Mutter geht. Und selbstredend fehlen Gedanken über das Existieren im untergegangenen System nicht, passende Schriftstücke werden verlesen und gewähren Denkanstöße.

Die zweite Interpretation betrifft – ganz logisch – das fragile Geflecht dieser Dreiecksbeziehung, läßt Respekt und Zuneigung ebenso aufleuchten wie Verletzungen. Spürbare Wehmut schwingt in Heides Worten, aus denen ständiges Sich-selbst-für-andere-Aufopfern klingt. Ingrid hingegen hat schon an Trennung gedacht, kann das Doppelspiel nicht mehr ertragen. Aber die Sache scheint „zu verfahren.“ Fast zwangsläufig muß jene in vielerlei Hinsicht beeindruckende Doku so enden, wie sie es tut. Nämlich Heiner beim Schlittern übers Eis zeigend.

D 2013, 88 min
FSK 0
Verleih: 42film

Genre: Dokumentation, Biographie

Regie: Uwe Mann

Kinostart: 27.03.14

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...