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Im Schatten der Frauen

Der Künstler und die Liebe

Er gehört zur alten Schule. Schon Mitte der 60er Jahre begann der französische Regisseur Philippe Garrel, erste Kurzfilme zu drehen, für seine späteren Langfilme arbeitete er mit der Schauspielerin Catherine Deneuve oder dem Kameramann Raoul Coutard zusammen – alles im Duktus der Nouvelle Vague. Auch in seinem neuesten Film ist der Einfluß der französischen Autorenfilmer aus dem vergangenen Jahrhundert nicht zu übersehen. Die Bildsprache ist reduziert, die Handlung beschränkt sich auf die psychologische Konstitution der Figuren.

Die eigentliche Geschichte spielt dabei nur eine Nebenrolle, denn seitdem es Kino gibt, wurde sie unzählige Male erzählt: Pierre ist ein erfolgloser Filmemacher. Seine Frau, die ihn beruflich unterstützt, liebt ihn bedingungslos, während er mit sich und dem Leben hadert und ihre Gefühle kaum erwidern kann. Als sich ihm die Gelegenheit bietet, stürzt er sich in eine Affäre, die ihm zwar kurzfristig Abwechslung und Anerkennung verschafft, auf lange Sicht die Lage aber zuspitzt.

Denn nicht nur die Ehefrau, sondern auch die Geliebte fordert von Pierre etwas, was er im Grunde nicht geben kann: echte Gefühle. Vielmehr zeichnet Garrel ein Bild von einem Mann, der seinen mangelnden Selbstwert mit der Zuneigung anderer Menschen aufpeppt: der Künstler, der eine Muße braucht, um sich selbst zu spüren. Obwohl diese Geschichte zeitlos ist, verortet sie der Regisseur im Schatten der Vergangenheit. Denn nicht nur die Schwarz-Weiß-Bilder, auch das Dekor erinnert eher an die 70er Jahre als an die Gegenwart: die Geliebte, die schwere Filmrollen sortiert, in unsanierten Wohnungen mit Doppelfenstern lebt. Keine Spur von modernem Großstadtleben.

Auch wenn Ästhetik eine Zeitreise suggeriert, sind Ort und Zeit am Ende zweitrangig, behandelt IM SCHATTEN DER FRAUEN doch ein universelles Thema: die Überlegenheit des Mannes, der sich erlaubt, seine Frau zu betrügen, ihr aber jene Untreue verübelt. Das ist eine typisch männliche Sicht auf die Dinge, die Garrel am Ende glaubhaft hinterfragt. Nur schade, daß er sich einer Erzählerstimme bedient, die die Handlung an manchen Stellen zwar klarer macht, aber die Emotionalität keineswegs verstärkt. Dennoch ist der Film eine gut beobachtete Charakterstudie, die jene Wunde kunstvoll in Kinobilder verpackt, die oft ein Leben lang vor sich hin flackert: Nämlich, daß wir die Liebe erst dann wirklich zu schätzen wissen, wenn wir sie längst verloren haben.

Originaltitel: L’OMBRE DES FEMMES

F/CH 2015, 73 min
FSK 12
Verleih: Schwarzweiß

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Clotilde Courau, Stanislas Merhar, Lena Paugam

Regie: Philippe Garrel

Kinostart: 28.01.16

[ Claudia Euen ]