Noch keine Bewertung

Konzert im Freien

Vom mißglückten Versuch, altes Filmmaterial ordnungsgemäß zu recyclen

Die Florentiner haben an jeder Ecke ihren Palazzo Prozzi und davor mindestens einen Michelangelo. Warum darf ich das nicht auch haben?, dachte sich ein kleiner Mauerbauarchitekt und ließ sich etwas Hübsches vor seinen "Palast der Republik" setzen. Im Jahre 1986, als bereits Perestroikaglocken das Pilotprojekt DDR ausläuteten. Das hübsche dekorative Element umfaßte teutonische Ausmaße und wurde liebevoll Marx-Engels-Forum gerufen. An den Bestsellerautoren des ostdeutschen Buchhandels meißelte der Bildhauer Friedrich

Engelhardt zwölf lange Jahre, bis Marx und Engels endlich jenen Charme versprühten, der ansonsten nur Nußknackern im Hochsommer eignet. Noch andere Künstler kamen bei diesem Projekt in Lohn und Brot, zum Beispiel der verbotene Jürgen Böttcher, bekannt auch als âStrawalde’. Ausgerechnet er, der mit seinen unpathetischen Arbeiterfilmen ein ganzes Politbüro wutschnauben ließ, sollte nun in einem Heroenschinken Honeckers Kunst gebührend würdigen. Daraus ist nie etwas geworden.

Zurück blieben jedoch 1400 Meter Filmmaterial, das Böttcher nicht dem Sondermüll übergeben wollte. Deshalb entstand jetzt doch noch ein Film. Auch daraus ist nichts geworden. Nichts für Zuschauer, die eine Geschichte erwarten, die erzählt werden will. Zum Beispiel die jener Auftragskünstler, für die sich mit dem Marx-Engels-Forum ein Lebenswerk, vielleicht auch ein Lebenssinn verband.

Böttcher verließ sich zu sehr auf seine Jazz-Ikonen Günter "Baby" Sommer und Dietmar Diesner. Ihrem KONZERT IM FREIEN mußten sich zum Teil erstaunliche Bilder unterordnen, nicht aber einer Regie, einer zwingenden Idee. Filmen geht’s manchmal so wie dem Sozialismus. Was hatte doch der "Eulenspiegel" einen fröhlichen Marx nach der Wende rufen lassen? "Tut mir leid, Freunde. Es war halt nur so `ne Idee."

D 2001, 88 min
Verleih: Basis

Genre: Dokumentation, Musik

Regie: Jürgen Böttcher

Kinostart: 01.03.01

[ Angela Rändel ]