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Madame Satã

Ehrerbietung für einen sturen Geist

Dieser Mann ist wie ein wildes Tier. Eine samtige Raubkatze zwar, aber mit ganz scharfen Krallen. Wo auch immer João Emtabaja da Silva in Rio de Janeiros Künstlerviertel Lapa auftaucht, da knistert die Luft, da vibriert der Boden. Dieser Mann ist die geballte Leidenschaft, zuhause in der Gosse, in den schummrigsten Bars, unterwegs mit zwielichtigen Figuren.

Ein Wesen mit vielen Identitäten, einer der den Glamour schöner Frauen liebt und mit Männern schläft, der immer wieder in den Knast kommt, da er Polizisten verprügelt, Freier ausnimmt und Kante zeigt, wenn ihm jemand blöd kommt. Und natürlich wird er vor allem für seinen anarchistischen, ausschweifenden Lebensstil verurteilt - wir schreiben schließlich das Jahr 1932. Rückhalt findet er immer bei seiner Familie: Laurita, eine Hure, mit der er ein kleines Kind hat, und Taboo, der Mädchenjunge, der seinen Hintern hinhält, weil er Lust empfindet und Geld verdient. Geld, daß ihm João, dann ganz Kotzbrocken, gleich wieder abnimmt.

Karim Ainouz hat nun das Leben eines Wilden verfilmt, einer, der erst wahres Glück empfand, als er in einer Hurenkneipe unter frenetischem Jubel große Diven imitieren konnte und schließlich zur gefeierten Kunstfigur Madame Sata wurde, in Anlehnung an den Cecil B. DeMille Film MADAME SATAN.

Das alles wird zwar im zügigen Stakkato erzählt, dennoch gelingen durchaus auch stille, zurückgenommene Momente, in denen sich offenbart, daß der lärmende, alles fordernde João auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut ist, der empfindet. Besonders die Szenen, die ihn und seinen Liebhaber Renatinho zeigen, erzählen von einer Liebe, die auf dem Schlachtfeld ungestümer Leidenschaft ausgelebt wird, die tragisch enden muß.

So wird dieses Langfilmdebüt Ainouz’ vor allem zu einer Ehrerbietung für einen sturen Geist, der sich und seiner Umwelt alles abverlangt. Nur manchmal hat man das Gefühl, daß Ainouz plötzlich Angst vor seiner charismatischen Hauptfigur kriegt. Da bremst er sie ein wenig aus, da überlastet er die theatralischen Bilder mit einer bisweilen steifen Sprache, die der Rohheit Joãos dann doch immer mal im Wege steht.

Originaltitel: MADAME SATÃ

Brasilien 2002, 105 min
Verleih: Pro-Fun

Genre: Drama, Biographie, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Lazaro Ramos

Regie: Karim Ainouz

Kinostart: 10.02.05

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.