Noch keine Bewertung

Montag kommen die Fenster

Vom Freiheitsdrang im Familienmenschen

Alles schreit nach zu trügerischer Idylle. Das Paar, das trotz gemeinsamer junger Tochter und Alltagstreß noch sexuell zueinander findet. Das renovierte Eigenheim im Ländlichen, das nur noch des letzten Schliffes bedarf (die Fenster in Kiefer sollen alles abrunden). Die verständnisvolle Eltern-Kind-Beziehung, in der die aufgeschlossenen Erziehungsberechtigten sich vom Sprößling beim Vornamen nennen lassen. Ein einschneidendes Ereignis liegt in der Luft und geschieht schließlich: Ärztin Nina verläßt ihren Mann Frieder und Tochter Charlotte.

Wie bereits in seinem Debütfilm BUNGALOW thematisiert Regisseur und Autor Ulrich Köhler den Ausbruch des Individuums aus den Zwängen einer gesellschaftlichen Institution. Waren es in Köhlers Erstling noch die unpersönlichen Gleichschaltungsmechanismen der Bundeswehr, denen der junge Protagonist entfloh, ist es diesmal der Hort des Privaten - die Familie -, welcher der Mittdreißiger-Mutter Nina zum gemütlich-tapezierten Gefängnis zu werden scheint. Die Bedrohung des alltäglichen Familiendaseins wird von Köhler subtil und stimmungsvoll inszeniert. Etwa in der Szene, als Nina selbst im letzten Schlupfwinkel des Für-sich-seins, der Toilette, keinen ungestörten Rückzug findet.

Die authentische Wirkung des Kleinfamilienlebens, von dem gleichzeitig Geborgenheit und Erstickungsgefahr ausgeht, ist vor allem der exzellenten Leistung der Hauptdarsteller Isabelle Menke und Hans-Jochen Wagner zu verdanken. Mit gekonnt unterschwelligem Spiel vermitteln sie die aufgestauten Emotionen, die unter der diplomatisch-agierenden Oberfläche schlummern. In Nina brodelt es, aber ein Ventil scheint in ihrer Welt zwischen Beruf und Familie weit und breit nicht vorhanden. Sie entflieht der Normalität, einem Zustand, den der Mensch der Gegenwart zwar fürchtet und verabscheut, aber dann doch immer wieder sucht. Daß ihre orientierungslose Flucht Nina nicht befreien kann, ist zugleich das Tragische und das Vorhersehbare an Köhlers Zweitwerk.

Zum Schluß steht ein sich im Film wiederholendes Phänomen, mit dem sich die freigekämpfte moderne Frau wohl abzufinden hat: das Versagen des häuslich-zurechtgestutzten Mannes.

D 2005, 92 min
Verleih: Filmgalerie 451

Genre: Drama

Darsteller: Isabelle Menke, Hans-Jochen Wagner, Ilie Nastase, Devid Striesow

Regie: Ulrich Köhler

Kinostart: 04.01.07

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...