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Policeman

Zwei Pole in einem zerrissenen Land

Yaron ist ein echter Kerl. Der Polizist einer Anti-Terroreinheit mag die chauvinistische Pose. Ob beim Mountainbiken mit seinen Kameraden oder beim Kinderhüten: Der Habitus des Alphamännchens steckt in Yarons Wesen. Was allerdings zu Beginn des Films die eigenwillige Komik der Überzeichnung hat, wird bald wertvolle Ergänzung eines Gesamtbildes. Denn sobald Yarons Berufsalltag auf beunruhigend realistische Art beleuchtet wird, versteht man die augenscheinliche Maskerade mit einem Mal.

Diesem eitlen Mannsbild stellt Regisseur Nadav Lapid eine zweite Hauptfigur gegenüber. Shira, blonde Tochter aus gutbürgerlichem Hause. Shira gehört wie Yaron einer Einheit an: Einer terroristischen, sektenähnlichen Gruppierung, die sich um einen messianischen Anführer gebildet hat. Shira geht auf in den Maximen ihres charismatischen Leaders: Die ungerechten Zustände im Land sind nur mit Gewalt zu verändern, der Graben zwischen Arm und Reich nur im Kampf zu schließen. Das nächste, große Ziel der Terrorgruppe: eine Hochzeit von Superreichen in Jerusalem.

Das folgende Kidnapping des Bräutigams läßt beide Hauptfiguren und die zwei Welten, für die sie stehen, aufeinandertreffen. Der Effekt dieser sehr späten Zusammenführung, den Regisseur Nadav Lapid erzielt und der besonders im packenden Finale des Dramas spürbar wird, wiegt fast auf, daß die minutiöse Einführung seiner Figuren mitunter Längen hat und die Aufmerksamkeit des Zuschauers gerade zu Beginn stark strapaziert wird. Die Gewalt, auf die alles zuläuft, hat eine um so erschütterndere Wirkung und läßt einen alles vorher Gesehene neu bewerten.

Der politische Subtext ist hier entscheidend. Die Gegenüberstellung des rigorosen Nationalismus’ Yarons und des destruktiven Umwälzungswillens Shiras ist in ihrer fast hermetischen Zweiteilung nur konsequent. Eine Vermischung oder Verwebung der beiden Welten wäre ein Konstrukt, das nicht zu der unverblümten, sehr direkten Erzählweise von Lapids Debüt passen würde. Hier wird einem auf die harte Tour nähergebracht, welche verhärteten inneren Konflikte in einem Land schwelen, dessen Außenpolitik die Außenwahrnehmung komplett dominiert. Allein deshalb lohnt sich eine Auseinandersetzung mit diesem außergewöhnlichen Versuch, Charakter- und Gesellschaftsstudie zu vereinen.

Originaltitel: HA-SHOTER

Israel 2011, 105 min
FSK 16
Verleih: GM films

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Yiftach Klein, Yaara Pelzig, Michael Mushonov, Gal Hoyberger

Stab:
Regie: Nadav Lapid
Drehbuch: Nadav Lapid

Kinostart: 01.11.12

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...