D 2014, 104 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm

Genre: Erwachsenwerden, Drama

Darsteller: Julia Jendroßek, Daniel Sträßner, Ramona Libnow, Uwe Preuss

Regie: Sylke Enders

Kinostart: 18.09.14

1 Bewertung

Schönefeld Boulevard

Vom Suchen und Versagen

Cindy Two. Das ist noch die nettere Anrede ihrer Freundinnen Cindy (One) und Katharina. Des Vaters „Rosinenbomber“ ist ungleich direkter, und selbst Cindys eigentlich bester Freund Danny glänzt nicht durch Feingefühl: „Alles paletti, Fatty!“ Und schließlich wird ihr noch die Geschichte vom Wunsch der eigenen Eltern dauerkolportiert, nach der diese statt ihres dicken Mädchens lieber das Kind vom Hausmeister gehabt hätten, weil das schon tot zur Welt kam ...

Starker Tobak, keine Frage, doch Sylke Enders gelingt mit ihrer Geschichte um ein einsames Mädchen eine Punktlandung. Dauerstänkern und Mobbing sowie Oberflächlichkeit sind zu Zeitgeistphänomenen geworden, und eine Lesart des Oberflächlichen wird sich auch Cindy aneignen, um durchzukommen. Oder eben erst einmal einen Schritt voran, denn immerhin ist sie nicht nur die Dickste in ihrem Bekanntenkreis, sie ist seit jeher auch die Letzte in allen relevanten Dingen. Auch, wenn es um Sex geht.

Enders erzählt nach KROKO wieder von einem speziellen Mädchen, dieses Mal ist es ein korpulenter Teen, einsam und auf Männersuche. Es ist auch die Geschichte einer Emanzipation. Eben nicht mehr die Letzte sein, das doofe Dickerchen, auf dem alle rumhacken! Eben nicht mehr die Taschen der „Freundinnen“ schleppen, deren Zickereien ertragen! Cindy hat ganz normale Wünsche, sie will träumen, respektiert werden, sich verlieben, mit einem Mann ins Bett. Leben halt. Eines Tages trifft Cindy den finnischen Ingenieur Leif. Eine etwas merkwürdige Beziehung entsteht, doch auch sie fußt auf Ungereimtheiten und Lügen. Aus Cindy, dem suchenden, einsamen Mädchen, wird ein wütendes, verzweifeltes. Schließlich trifft sie Park, einen Koreaner, sie gehen essen, er mag ihre Fülle, ihre Augen, aber so richtig geht es nicht weiter. Genau wie mit der Flughafen-Großbaustelle ganz in der Nähe.

Enders erzählt geerdet, immer kraftvoll und mit Wut in der Brust, denn ihre Geschichte ist ja auch eine über das Versagen: dem der Eltern, der Lehrer, der Bauherrin Berlin und manchmal des ganzen Systems. Cindy taugt dabei zur Schlüsselfigur einer Hoffnung, daß in diesen wahrlich kalten Zeiten eben nicht auch noch das letzte Quentchen an Menschlichkeit flöten geht. Wie zerrissen, wie vage eine derartige Sehnsucht, ein humanistisches Wunschbild sind, zeigt, daß Cindy den Untergang eines ihr eigentlich nahestehenden Menschen nicht verhindern kann. Diese Ungeschöntheit macht Sylke Enders’ SCHÖNEFELD BOULEVARD zu einem starken Stück deutschen Gegenwartskinos.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.