D 2019, 88 min
FSK 16
Verleih: UCM.One

Genre: Dokumentation

Regie: Pia Hellenthal

Kinostart: 28.11.19

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Searching Eva

Fest der Wandelbarkeit von Identitäten

Mit bestechendem Blickkontakt empfängt uns Eva im Film, auf ihrer Bühne, in ihrer Gedankenwelt. In einem Tableau vivant, ein Stilmittel, auf das wir in SEARCHING EVA regelmäßig treffen, sind wir ihrer Fokussierung ausgesetzt, sie fängt uns ein. So wie sie sich als offenherzige Internetbloggerin präsentiert und von außen beäugt und beurteilt wird, werden auch wir als Zuschauer durch ihr Anschauen in eine ausgestellte Position gebracht: Wir sind Teil des Films, und auch wir werden uns ein Urteil bilden. Gleichzeitig kann Eva in der Selbstermächtigung des Zurückblickens vom Objekt zum Subjekt werden. Ja, wir sind da, wir rennen gemeinsam mit Eva durch ein filmisches Zelebrieren ihrer Fluidität, und sie ist sich dessen sehr bewußt.

SEARCHING EVA ist eine vielfältige und befreite Montage: Kurze Texteinblendungen geben Einblick in diverse Onlinekommentare zu Evas Internetpräsenz, situative und nahe Momente aus Evas Alltag werden durch edgy und ikonisch anmutende Inszenierungen in Tableaux vivants ergänzt, ihre Stimme begleitet uns durch den Film, während treibende Musik die Bilder immer wieder weiter auflädt. Der Film zeigt keine Entwicklung, keine Narration im klassischen Sinne, ist mehr Cluster und ein durchlässiges Zusammenführen von Erlebtem und Ausgestelltem. Eva will nicht in eine Schublade gesteckt werden, so gibt auch der Film keine klaren Antworten. Es geht um ein Auflösen von gesellschaftlichen Normen und ein generelles Hinterfragen der Macht von Bedeutung. Eva macht sich frei von Zuschreibungen eines binären Geschlechtersystems, folgt keinen gesellschaftlichen Regeln von Arbeitsmoral oder einem klassischen Familienmodell. Sie lebt ihre Freizügigkeit aus, selbstbestimmt geht sie ihrem Job als Sexarbeiterin nach, zeigt sich im Umgang mit ihrem Körper, im Kontakt mit Freunden, Partnern und Familie offenbarend und frei.

So ist der Film kein Festlegen, er kleidet sich in Evas Wandelbarkeit und stellt sie aus, Intimität und Inszenierung reiben sich aneinander auf, und auch genremäßig wandert er zwischen Doku und Fiktion hin und her. SEARCHING EVA kann als Empowerment für andere Suchende dienen. Direkte Konsequenzen des Wagnisses, sich ohne Scham öffentlich zu präsentieren, klammert der Film aus. Wir lesen in den Textpassagen zwar von Verurteilungen und Anfeindungen, denen Eva online ausgesetzt ist. Der Film will aber nicht einordnen oder moralisieren. Sondern bleibt stets offen und im Werden.

[ Katharina Wittmann ]