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Sicko

Michael Moore entdeckt eine neue Achse des Bösen

Michael Moore ist der bekannteste Dokumentarfilmer der Welt und FAHRENHEIT 9/11, sein Pamphlet gegen den Irakkrieg und Georg W. Bush, der mit Abstand erfolgreichste Dokumentarfilm aller Zeiten. Trotz all dieser Erfolge konnte er sein eigentliches Ziel nicht erreichen - die Verhinderung einer Wiederwahl Georg W. Bushs im Wahlkampf 2004. Trotzdem (oder gerade deswegen) gibt er keine Ruhe und zielt mit SICKO auf eine weitere bekannte Schwachstelle im amerikanischen System: die katastrophal schlechte Gesundheitsversorgung.

Anders als in früheren Filmen steht ihm hier kein einzelner Bösewicht gegenüber, den er mit impertinent naiven Fragen nerven könnte. Statt dessen beschreibt er ein komplexes System der Verantwortungslosigkeit, in dem sich Pharma- und Versicherungskonzerne eine goldene Nase verdienen, korrupte Politiker nur allzu gerne bestechen lassen, und mancher Arzt sich eher dem Profit als dem hippokratischen Eid verpflichtet fühlt. Moore bleibt kaum anderes übrig, als von seinem gewohnten David-und-Goliath-Schema abzuweichen und sich - neben den dramatischen Einzelschicksalen - auf die Zusammenhänge zu konzentrieren. Und er tut gut daran.

Am Beginn seiner Recherchen für SICKO stand ein Aufruf, in dem er darum bat, ihm schlechte Erfahrungen mit dem Gesundheits-system zu schildern. Allein in der ersten Woche erhielt er über 25.000 Briefe und Emails. Der Film setzt vor allem auf die Geschichten dieser Menschen, die von den privaten Versicherungsunternehmen gnadenlos über den Tisch gezogen wurden. Auch eine Reihe ehemaliger Krankenkassenmitarbeiter erleichtert ihr Gewissen und packt aus, so daß sich bald eine neue Achse des Bösen herauskristallisiert: ein Staat, der daran arbeitet, sich der Verantwortung für seine Bürger zu entledigen und Krankenkassen, die nur ihrem Profit verpflichtet sind.

Leider kann sich Moore am Ende die für ihn typischen Vereinfachungen nicht verkneifen und reist mit drei kranken 9/11-Rettungskräften, die bis heute weder Entschädigung noch angemessene medizinische Behandlung erhalten haben, nach Guantanamo, weil die dort Internierten angeblich eine so hervorragende medizinische Betreuung genießen. Auch wenn Moore hier ein wenig übers Ziel hinaus schießt, ist SICKO ein durchaus informativer und sehenswerter Film geworden, der im Stile einer "Sendung mit der Maus" für Erwachsene ein schwieriges Thema auf die Tagesordnung bringt.

Originaltitel: SICKO

USA 116 min
Verleih: Senator

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Michael Moore
Drehbuch: Michael Moore

Kinostart: 11.10.07

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.