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Silent Heart

Nuanciertes Spiel um selbstbestimmten Tod

Bille August, der zuletzt mit der international besetzten Literaturverfilmung NACHTZUG NACH LISSABON enttäuschte, ist endlich zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Mit einem herausragenden, komplett dänischen Ensemble ist SILENT HEART ein Film, in dem ein relevantes Thema (selbstbestimmtes Sterben) schauspielerisch herausragend in Szene gesetzt wird.

Im Mittelpunkt steht Ghita Nørby, die Grande Dame des dänischen Films, die dem Drama als todkranke Matriarchin Esther ihren Stempel aufdrückt. Esther leidet an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS und hat sich entschieden, den Zeitpunkt ihres Todes selbst zu bestimmen, statt langsam und qualvoll zu sterben. Sie hat alles genau geplant: Mit ihrem Mann Paul, ihrer besten Freundin und ihren zwei Töchtern und deren Familien will sie noch ein letztes schönes Wochenende verbringen. Obwohl alle Familienmitglieder zunächst damit einverstanden waren, daß diese Begegnung die letzte sein wird, dauert es nicht lange, bis die familiären Dynamiken eskalieren. Besonders die labile Tochter Sanne will sich nicht damit abfinden, die Mutter gehen zu lassen und plant, deren Plan zu sabotieren, indem sie im entscheidenden Moment eine Ambulanz ruft. Heidi, die von Paprika Steen als geradezu unheimlich pragmatischer Vernunftmensch gespielte ältere Schwester, versucht, sie daran zu hindern. Beide – und das macht dieses familiäre Psychogramm so hochkarätig – handeln aus Liebe zu ihrer Mutter und werden gleichzeitig von der eigenen Angst getrieben.

August führt sein Ensemble behutsam durch dieses besondere Wochenende, in dessen Verlauf jeder der Anwesenden auf eigene Weise Abschied nimmt – von der geliebten Esther, aber auch von eigenen Vorurteilen und Ängsten. Die Stimmung im schummrigen Landhaus ist fragil und gerade deshalb unglaublich intensiv. Mehrfach flackern diese gleißenden Momente zwischen Weinen und Lachen auf, die einen an Andreas Dresens HALT AUF FREIER STRECKE erinnern, und die nur dann entstehen, wenn es wortwörtlich um Leben und Tod geht.

Nur manchmal scheint Bille August der Stärke dieser Momente nicht ganz zu trauen und läßt die Handlung auf einen überdramatisierten Höhepunkt und eine kathartische Auflösung zustreben. Doch selbst wenn auf der Zielgeraden weniger mehr gewesen wäre, es ist ein ausgesprochen ergreifender Film, der die Frage, wie eine Familie mit dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod umgehen kann, facettenreich und nuanciert beleuchtet.

Originaltitel: STILLE HJERTE

DK 2014, 98 min
FSK 12
Verleih: Movienet

Genre: Drama

Darsteller: Ghita Nørby, Morten Grunwald, Paprika Steen, Danica Curcic, Jens Albinus

Regie: Bille August

Kinostart: 24.03.16

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.