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Sofia’s Last Ambulance

Tiefenentspannung auf Bulgarisch

Eigentlich haben Krassi, Mila und Plamen den stressigsten Job der Welt – sie sitzen in einem der wenigen Rettungswagen, die noch in der bulgarischen Hauptstadt Sofia unterwegs sind, jagen nächtelang von Einsatz zu Einsatz und versuchen trotz ihrer beschränkten Mittel jedes Mal aufs Neue, Leben zu retten. Adrenalin pur, will man meinen. Doch trotz des allgegenwärtigen Sirenengeheuls, blinkender Lichter und quietschender Bremsen ist das Innere dieser Ambulanz von einer fast buddhistischen Gelassenheit geprägt.

Was sollen sie auch tun gegen die ständige Überforderung durch 48-Stunden-Schichten und im Kampf gegen die Windmühlen eines bis ins Mark zerrütteten und korrupten Gesundheitssystems? Die Kraft, sich gegen die äußeren Umstände aufzulehnen, haben die drei nicht. Sie sparen sich ihre Energie lieber für die Patienten auf. In den seltenen Ruhemomenten tauschen sie sich lakonisch darüber aus, was das Privatleben macht, und welcher Kollege noch gekündigt hat, um anderswo das Doppelte zu verdienen. Das alles könnte ausgesprochen bedrückend sein, doch die drei wunderbaren Protagonisten machen aus diesem Ritt durch die Nacht einen unterhaltsamen, sogar oft überraschend lustigen Film, in dem schon ganz kleine Gesten reichen, um sehr viel zu erzählen. Mehr als einmal fühlt man sich an Kevin Smiths Independent-Hit CLERKS erinnert, trotz aller genretechnischen Unterschiede.

Ilian Metev gelingt mit seinem Langfilmdebüt (für das er beim zurückliegenden DOK-Festival mit der „Silbernen Taube“ geehrt wurde) das Kunststück, jenseits der ausgelatschten „Emergency-Room“-TV-Dramaturgie drei Menschen sehr genau dabei zu beobachten, wie sie dauerhaft am Rande ihrer Kräfte operieren und trotzdem unübersehbar lieben, was sie tun. Die verschiedenen fest montierten Kameras sind immer auf das Team konzentriert, die Patienten bleiben außerhalb des Bildausschnitts. Die Sorge über ihren Zustand spiegelt sich nur im Gesichtsausdruck ihrer Retter. Ein absolut sehenswerter Film – nicht nur für Ärzte und Co.

In Moskau soll sich unter Neureichen inzwischen die Mode etabliert haben, die allgegenwärtigen Staus zu umgehen, indem man Krankenwagenfahrer besticht, um dann mit Blaulicht schneller durch die Rush-Hour zu kommen. Nicht auszudenken, welche Antwort die schlagfertige Krankenschwester Mila wohl für eine solche Anfrage in petto hätte …

Originaltitel: POSLEDNATA LINEIKA NA SOFIA

Bulgarien/D/Kroatien 2012, 75 min
FSK 0
Verleih: W-Film

Genre: Dokumentation

Regie: Ilian Metev

Kinostart: 11.04.13

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.