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Solange Du hier bist

Fingerübung mit viel Interpretationsfreiheit

Der Titel ist irreführend, erinnert er doch so ein wenig an die Nachkriegsfilmchen, in denen die Schell, die Leuwerik und andere Lichtgestalten - gern mit dem Schwerenöter O.W. Fischer - die kriegsgebeutelte Nation aufmuntern sollten, mit recht seichtem, bisweilen klamaukartigem und manchmal Herzeleid verströmendem Stoff. All das steht nicht für diesen Film, das heißt allerdings auch nicht, daß dem Debütanten Stefan Westerwelle wirklich Tiefgründiges gelungen sei, es ist eher - wohlwollend formuliert - verstörend. Anstrengend und angestrengt trifft es aber auch, denn seiner Geschichte um den alternden Georg, der sich die Langeweile und die Einsamkeit mit Gefälligkeiten durch den Stricher Sebastian vertreibt, fehlt leider die Kraft, um als großes Drama vom Alleinsein zu bestehen, noch um als intellektuelle Reflexion über das Singulare im Leben alternder Menschen zu funktionieren.

Georg ist altmodisch, er bezieht die Betten mit Blümchendeckchen, legt vor dem ungelenken, schlaffen Sex Handtücher drunter, ein reinlicher Kerl also, der dem jungen Stricher auch schon mal die Sachen wäscht. Das Geld für die erbrachte Dienstleistung steckt er etwas umständlich in ein Kuvert, meist zu viel, was auch irgendwas bedeuten soll. Was genau, ist dann schon wieder unwichtig, weil Westerwelle es ohnehin zu gern mit Andeutungen hat, die man interpretieren darf, wenn man denn will. Keine der Figuren, die sich Film über im viel zu dunkel gefilmten Kämmerchen abmühen - auch in den Wohnungen einsamer Menschen darf es doch Lichtschalter und Lampen geben! - taugt zur Identifikation durch den Betrachter, kaum eine brauchbare Randnotiz wird geboten, um so etwas wie ein Motiv oder ein Prinzip zu erkennen.

Georg will Sebastian gern mal zum Eis einladen, so rein freundschaftlich. Das muß genügen, damit man weiß, der alte Herr ist wirklich einsam und nicht nur plumpgeil. Über den Jungen erfährt man eigentlich nichts, zumindest kommt da wenig rüber, wenn immer der holde Knabe sich in blutigen Geschichten in verkomplizierter Form offenbart. Zwischendrin werden immer mal Tonaufnahmen geschnitten mit Schlafgeräuschen und ähnlichen "Beweisen" dafür, wie bitter Einsamkeit wohl sein kann. Damit etwas anzufangen, fällt leider auch sehr schwer.

Westerwelle hat sich für eine doch sehr statische und manchmal manierierte Erzählweise entschieden, so daß am Ende nicht nur Georg allein und ratlos bleibt, dem Zuschauer ergeht es ähnlich.

D 2006, 56 min
Verleih: Pro Fun

Genre: Drama, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Michael Gempart, Leander Lichti

Regie: Stefan Westerwelle

Kinostart: 25.10.07

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.