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Somersault

Berührende Mär vom Erwachen

Wenn man 16 ist, dreht sich alles darum, beachtet zu werden. Da verquirlen sich Liebe, Sex und Freundschaft zu einem verwirrenden Wackelpudding auf der pubertären Seele, dessen Hauptgeschmack so simpel wie typisch ist: Anerkennung um jeden Preis. Diese Erfahrung wird auch das hier porträtierte australische Mädchen mit deutschem Namen machen: Heidi. Ein blondes, an sich fragiles Mädchen, welches hart wirken will und auch gerade sexuell in zu kurzer Zeit zu viel erlebt hat. Dabei war ihr Wunsch immer ganz naiv, ganz verständlich: Geborgenheit, Schutz, Wärme.

Von Zuhause haut sie ab, als ihre Mutter sie mit deren Freund im Bett erwischt. Ihre Reise durch Australien ist vor allem eine ungeschönte Begegnung mit dem wahren Leben, ein Blick durch das Schlüsselloch jeder hoffnungslos versiegenden Illusion. Letztendlich ist dieser Trip auch der einzige Weg, um zu Träumen, Zuversicht und dem Empfinden echter Liebe (zurück) zu finden. Heidi trifft Männer, die nur das eine wollen, dann wieder welche, die genau nicht nur das eine wollen, was Heidi dann aber auch nicht erkennt. Sie begegnet einer verletzten Mutter, deren Sohn im Gefängnis sitzt. Sie trifft zwei halbstarke Buben, die in jeder Hinsicht alles mitnehmen, was sich so bietet und dabei so unendlich armselig und kümmerlich wirken. Und Heidi wird vielleicht die Kraft finden, eine Münze zu zücken und die Nummer zu wählen, die sie nie vergessen wird. Und ihre Mutter wird dann vielleicht ans Telefon gehen ...

Mit der jungen Abbie Cornish hat Cate Shortland ein Gesicht gefunden, welches aus dem Kino eigentlich nicht mehr wegzudenken ist. Bereits sie allein trägt diese merkwürdig berührende Mär des Erwachens, in der es um die Schwere von Eingeständnissen, um die Gabe zu verzeihen und um die alles überdauernde Liebe geht. Das ist in der Tat viel, gerät in diesem intensiven "Teenagerdrama" jedoch nicht zur überbordenden Zeigefinger-Kantate. Einsicht fordert Cate Shortland für jugendliche Emanzipation, Einsicht dafür, daß gerade jeder ganz junge Mensch die über Generationen gleichen Fehler noch einmal selbst machen muß. Nur auf Wunden folgt die Heilung, nur auf Heilung die Erkenntnis.

Klüger und empfindsamer machen nun mal nicht die wolkewattigen Zuckerträume, die Foto-Love-Stories in der BRAVO verkaufen. Scharfkantige Klippen lauern an jedem Weg, die in Shortlands sympathischer Sicht Kratzer, aber keine klaffenden Verletzungen zufügen können. Und wenn diese Klippen dann in so berauschend gefilmter Kulisse wie der Südaustraliens stehen, dann hat Shortland eben auch der Kraft des Kinos gedacht.

Originaltitel: SOMERSAULT

Australien 2004, 106 min
Verleih: Prokino

Genre: Liebe, Erwachsenwerden, Drama

Darsteller: Abbie Cornish, Sam Worthington

Regie: Cate Shortland

Kinostart: 19.05.05

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.