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Spuren

Per pedes zum eigenen Ich

Die Frau will nicht einfach bloß raus, sie muß. Weg von der Negativität ihrer Generation, dem langweiligen Stadtleben. Beweisen möchte sie nach eigener Aussage nichts. Das soll als Auslöser genügen, warum sich Robyn Davidson anno 1977 auf den Weg von Alice Springs zur Westküste Australiens macht, zu Fuß, quer durch die Wüste, nur ein paar Kamele dienen als Reisebegleitung und Lasttiere. Ob es nun so klug war, auch ihre (schwarze) Hündin mit auf die Reise zu nehmen, sei dahingestellt – vielleicht zeigt genau das irgendwie auch Davidsons Ambivalenz, Einsamkeit oder sogar latenten Egoismus.

Unglaublich eigentlich, aber trotzdem eine wahre Geschichte. Mia Wasikowska spielt nun jene Dame mit nahezu omnipräsentem leisen Lächeln, ganz so, als würden brennende Hitze, eisige Kälte und alles andere Ungemach keinerlei Problem darstellen, Davidsons Glück im Gegenteil vollkommen machen. Etwas, das weder Familie noch Freunde verstehen können, folglich lauten treffend-mahnende Worte zum Abschied: „Don’t Die Out There!“

Nun begleiten wir ihre Odyssee, bestaunen großen Auges die berückende Schönheit dessen, was sich über 1700 Meilen lang vor und hinter dem Horizont erstreckt, erleben eine zarte Liebesgeschichte oder schauen zu, wie die Unerschrockene Probleme löst – heiligen Grund dürfen Frauen nicht überqueren, entweder stehen daher weite Umrundungen oder die Begleitung durch einen Mann auf dem Plan. Und selbigen zu finden, gestaltet sich naturgemäß eher schwierig. Aber Davidson meistert jede Herausforderung.

Es dürfte angesichts der thematischen Ausrichtung eine recht geringe Überraschung sein, daß grundsätzlich wenig geschieht, der Fokus auf fast meditativen Bildern ruht. Neun Monate Fußmarsch, komprimiert zu knapp zwei Stunden Film, welche ein hohes Maß Entschleunigung aufbieten, ohne allerdings jemals in langweilige Untiefen abzusinken. Leider verweigert Komponist Garth Stevenson indes solche Zurückhaltung und klimpert die Stille permanent durch zunehmend aufdringliche Musiksoße zu. Ein Schönheitsfehler, den es zu akzeptieren gilt.

Wer dies vermag und die arg knapp umrissene Charakterisierung von Davidson ebenfalls zumindest akzeptabel findet, den belohnt ein geradezu sinnlicher Ausflug in die Entdeckung lohnende fremde (Gefühls-)Welten. Und natürlich Wasikowskas Lächeln am Ende. Eine Nixe, eine Sphinx, eine glückliche Person.

Originaltitel: TRACKS

Australien 2013, 113 min
FSK 6
Verleih: Ascot

Genre: Drama, Poesie

Darsteller: Mia Wasikowska, Adam Driver, Emma Booth, Jessica Tovey

Regie: John Curran

Kinostart: 10.04.14

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...