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Sputnik

... auf Mission mit Startfehlern

Wir schreiben das ausgehende Jahr 1989. Wie man weiß, lag damals die DDR röchelnd in den letzten Zügen, doch hier sieht die Prämisse vorerst anders aus, im Kuhkaff Malkow geht der Alltag seinen gewohnten Gang: Die Lehrerin ist doof, der ABV – was, für jüngere Leser, „Abschnittsbevollmächtigter“ meinte, eine Art Dorfpolizist – ein rechter Depp, aber immerhin staatsgewaltig genug, um auf seinen Streifzügen unbequeme Subjekte zu verhaften, und die 10jährige Friederike weiß, daß man der Mauer nicht zu nahe kommen darf, weil dort ständig Leute erschossen werden. Wie es sich scheinbar für einen Kinderfilm gehört, läßt die Palette also keine Schattierungen zu, Schwarz oder Weiß genügen.

Zu allem Unglück muß „Riekes“ geliebter Onkel Mike jetzt sofort ausreisen, womit für das Mädchen eine Welt zusammenbricht. Doch da naht eine Idee: Könnte sie nicht zusammen mit ihren wissenschaftlich interessierten Kumpels ein Gerät bauen, um Mike aus West-Berlin wieder nach Malkow zu beamen? Gesagt, getan. Ob den Onkel solches Ansinnen freuen würde, interessiert erst mal nicht, aber auch sonst geht alles drunter und drüber.

Schöne Idee, so grundsätzlich, und tatsächlich wären die üblichen Probleme deutscher Genre-Produktionen – namentlich diese hyperintelligenten Supergören oder das pantoffelig abgefilmte Ambiente – ignorierbar, würde jene Geschichte nicht statt Spannung und Originalität immer wieder ins Lehrbuchhafte driften. Ironisch gebrochene Zustandsbeschreibungen ersetzt das Drehbuch durch Parolen, Figurenzeichnungen beschränken sich aufs Minimum, wirklich erfrischende Späße à la Fliehkrafttest am zu Versuchszwecken mißbrauchten Hamster verpuffen in Ernst und gleichzeitig handlungslogischer Inkonsequenz. Zum Beispiel, wenn Mutti am heimischen Telefon, aus dessen Existenz sich für Ex-DDR-Bürger ein gewisser privilegierter Familienstatus ableitet, zwecks Dramatik sorgenschwer wispert, sie wolle ebenfalls raus. Am Telefon! Wo’s doch damals bei jedem „West“-Gespräch verdächtig in der Leitung knackte ...

Wie sich die Rückholaktion schließlich auflöst, beinhaltet zwar wegen der Neuschreibung geschichtlicher Abläufe unbestreitbar einen ungewöhnlich frischen Reiz und sichert irgendwo schon den momentanen Alleinstellungsstatus als erster „Wende“-Kinderfilm. Für todsicher folgende Ableger gilt trotzdem: An der Umsetzung feilen wir bitte noch.

D 2012, 82 min
FSK 0
Verleih: MFA

Genre: Kinderfilm, Abenteuer, Historie

Darsteller: Flora Li Thiemann, Devid Striesow, Yvonne Catterfeld, Andreas Schmidt, Jacob Matschenz

Regie: Markus Dietrich

Kinostart: 24.10.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...