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Stille Reserven

Wie düster hätten’s denn gern?

Die Dystopie ist wieder da. Spätestens die britische Serie „Black Mirror“ hat sie zurück auf die Tagesordnung gebracht. In jeder Folge wird ein Phänomen unserer schönen Medienwelt konsequent zu Ende gedacht – als Alptraum. Zu lachen gibt es dabei wenig. Und fast immer tritt das Schlechteste ein. STILLE RESERVEN hat, wie der Regisseur Valentin Hitz in einem Interview verrät, bereits eine Vorlaufzeit von zehn Jahren, von der ersten Idee bis zum Kinostart. Und doch ist der Film mit „Black Mirror“ vergleichbar, zumindest in der Art und Weise, wie er sein Thema durchdekliniert.

Der verschuldete Mensch muß über seinen Tod hinaus die Schulden abtragen – als künstlich am Leben gehaltene Leihmutter oder als Ersatzteillager. Und auch das Gehirn, dieser gigantische Datenspeicher, ist auswertbar geworden. Das sind die stillen Reserven, von denen der Titel spricht. In der Zweiklassengesellschaft, in der die Mehrheit in die tristen „Trabanten“ abgeschoben wurde, ist es ein Luxus geworden, sterben zu dürfen. Was dagegen hilft? Eine Todesversicherung.

Clemens Schick spielt den Versicherungs-Agenten Vincent, der jeden Auftrag zuverlässig erledigt und ein Musterbeispiel der Selbstoptimierung abgibt. Ein gewissenloser Karrierist, mit zurückgeschleimten Haaren, Nazi-Look. Irritationen quittiert er mit einem Zucken des Mundwinkels oder der Nasenwurzel. Seine Gegnerin, auf die er angesetzt wird, heißt Lisa. Sie und ihre Aktivisten-Freunde wollen die Geriatrie abschalten. Sterbehilfe ist unter diesen Umständen moralisch einwandfrei geworden. Lena Lauzemis spielt diese Lisa als eine kühle Femme fatale, die wiederum auf Vincent angesetzt wird.

Während sich das Filmteam in der Gestaltung dieser nicht weit entfernten Zukunftswelt austobt, mit durchaus sehenswertem Ergebnis, rückt die Handlung dann doch zu schematisch vorwärts und widersteht nicht der Versuchung, jedes Detail noch mal aufzuschlüsseln. Bis der Film seine Tonart ändert. Plötzlich sind wir in einem Film noir, angesiedelt in einem maroden Wien der Vorstädte. Wenn Vincent in seiner Einsatzwohnung, observiert von Lena durch das Fernglas, sich des Panzers seines Hemdes entledigt und darunter seine Tätowierungen zum Vorschein kommen, wird klar, hier geht noch was.

Ganz altmodisch sucht Hitz die Rettung nun in der Liebe. Immerhin dürfen wir endlich auch mal ein wenig Empathie für die Figuren empfinden und der Hoffnung nachhängen, daß auf die Menschlichkeit doch noch Verlaß ist.

Österreich/D 2016, 95 min
FSK 12
Verleih: Camino

Genre: Drama, Science Fiction

Darsteller: Clemens Schick, Lena Lauzemis, Stipe Erceg, Daniel Olbrychski

Regie: Valentin Hitz

Kinostart: 20.04.17

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...