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Sushi in Suhl

Von real existierenden Gourmetfreuden

Man mag es ja aktuell nicht recht glauben, doch in Mitteldeutschland wurden schon mal Wunder wahr, zu DDR-Zeiten außerdem. Da eröffnete der Thüringer Küchenchef Rolf Anschütz ein japanisches Restaurant, improvisierte fleißig, und das Lokal lief bombastisch, trotz Preisen von über 100 Mark für ein Menü. Neben dem Neuigkeits- sowie Fernwehfaktor vielleicht ein Verdienst des lyrischen Namens „Waffenschmied“ und der kultigen Bedienung, auf hiesig die Ereignisse aufarbeitender Leinwandebene vertreten durch Geisha Gisela. Wortspielkasse, wir hören Dich rattern.

Interessanter und vor allem lustiger klingen da einige gelungene Gags für Eingeweihte, sprich ehemalige DDR-Bürger, welche beispielsweise noch Tempolinsen kennen, zumal die Handlung per se recht häufig brav Situationen folgt. Natürlich haben die Landesoberen was gegen solche „Feindpropaganda“, bis sie die Chance zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen schnuppern. Klar wird der grundsätzliche Konflikt eines Mannes, über seinen Traum die eigene Familie vergessen zu haben, mehrheitlich an die Komödie geopfert. Immerhin bemüht sich selbige um Sympathie, auf schwer nostalgischem Level, das ja nach wie vor medialen Platz findet und publikumsseitig dankbare Resonanz erfährt. Was sicher auch hier funktionieren dürfte, selbst wenn ein weniger volkstümelnder Hauptdarsteller als Uwe Steimle sich nicht ganz so sehr der Kumpelhaft-per-Du-anstups-Schunkelei hingegeben hätte. Na ja, der Rolf war halt einer von uns, und das möchte klar herausgestellt sein. Zwischendrin lauert dann ungeachtet aller harmlosen Nettigkeit indes höchst unerwartet ein Ausflug hin zur offensiven Szene: Nackte Tatsachen im hauseigenen Entspannungsbad, darunter Gast-„Star“ Christian Tramitz komplett enthüllt – Letzteres kann empfindsamen Menschen schon mal furchtbar auf den Magen schlagen. Analog zum großen Ganzen?

Nun, inwieweit dem echten Anschütz das freie Aufarbeiten seines Gastronomieabenteuers gefallen würde, ist nicht nachprüfbar, da er bereits 2008 verstarb. Ob dieses filmische Teriyaki dem potentiellen Zuschauer mundet, darüber entscheidet hingegen, wie bei Kulinaritäten generell üblich und im vorliegenden Fall sogar stärker als sonst, vollumfänglich der private Geschmacksnerv: Entweder zergeht das Häppchen zartschmelzend auf der Zunge, oder man wendet sich ab mit Grausen und grünem Gesicht.

D 2012, 107 min
FSK 0
Verleih: Movienet

Genre: Biographie, Tragikomödie

Darsteller: Uwe Steimle, Julia Richter, Ina Paule Klink, Michael Kind, Gen Seto

Regie: Carsten Fiebeler

Kinostart: 18.10.12

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...