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The District

Genial kraß – Feingeister bleiben bitte draußen!

Ungarn hat seinen Beitritt zur EU hinter sich, wer im Budapester Bezirk 8 wohnt, merkt jedoch kaum etwas von den nominellen positiven Auswirkungen. Dort dominieren Rassenhaß, Straßenkämpfe und Feindseligkeit. Einige Kinder wollen dem Elend entfliehen, bauen eine Zeitmaschine, produzieren in der Urzeit Öl und werden nach ihrer Rückkehr durch dessen Ausbeutung Milliardäre. Allerdings lösen sie damit eine weltweite Krise aus, und plötzlich hat gar George W. Bush endlich seinen Grund, den berüchtigten roten Knopf zu drücken!

So weit zum ziemlich mühsam gespannten Handlungsfaden, welcher sich übrigens auch bei "Romeo & Julia" bedient. Aber letztlich ist er angesichts des atemberaubenden Tempos sowieso eher unwichtig und außerdem bloß Aufhänger für einen Zeichentrickfilm, den man Kindern nicht, niemals, unter gar keinen Umständen zeigen sollte. Hier wird gesoffen, geflucht, gevögelt, schwellende Riesenbrüste schaukeln durchs Bild, selbst Lehrerinnen kleiden sich wie Pornostars, Geld regiert diese Welt, und in Sachen klarer Worte schraubt THE DISTRICT die Meßlatte ebenfalls in ungeahnte Höhen: "Deine Tochter wird als Waise aufwachsen!"

Mit Hilfe gleichzeitig simpler und dennoch detaillierter, expressionistisch beeinflußter Animation dürfen wir einen pervertierten Mikrokosmos besuchen, eine Sozialwüste jenseits gängiger Moralvorstellungen, in der Big Brother an jeder Ecke lauert und Onkel Osama Bin Laden Bomben verleiht, um den Terrornachwuchs zu fördern. Das tut wegen seines ungeachtet aller Überzogenheit wahren Kerns oft fast schon weh, überschreitet Grenzen im Sekundentakt und macht trotzdem oder gerade deshalb einfach mächtig Laune, sofern man über ein entsprechendes Humorverständnis verfügt. Zumal es dankenswerterweise wirklich überhaupt keine ängstlich umrundeten Tabus oder verschonte Nationalitäten gibt, dieser Rundumschlag folglich niemanden amnestiert, nicht einmal den Papst.

Kurz und bündig zusammengefaßt heißt das: So eine rüde, manchmal schockierende und sicher Diskussionen auslösende Satire wäre wohl dabei herausgekommen, wenn Shakespeare Drehbücher für "South Park" geschrieben hätte.

Originaltitel: NYÒCKER!

Ungarn 2004, 87 min
Verleih: alpha medienkontor

Genre: Animation, Schräg

Regie: Áron Gauder

Kinostart: 31.01.08

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...