D/Polen 2015, 100 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm

Genre: Drama, Historie

Darsteller: Jonas Nay, Filip Piotrowicz, Ursula Bogucka, André M. Hennicke, Gerdy Zint, Steffen Scheumann

Regie: Michal Rogalski

Kinostart: 22.10.15

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Unser letzter Sommer

Der Krieg macht keine Helden

In einem Interview zu seinem Spielfilmdebüt sagt Michal Rogalski ein paar scheinbar einfache Sätze, die jedoch seine Geschichte in die zwingende Aktualität unserer Zeit einordnen und zum Credo des Filmes werden: „Die Hauptfiguren dieses Filmes haben gedacht, daß sie irgendwie durch den Krieg kommen, daß der irgendwo anders stattfindet und sie ein komfortables Leben haben werden. Das war falsch. So falsch, wie wir uns (in Europa) gerade sicher fühlen.“ Rogalski inszeniert anhand eigener Familienbegebenheiten einen Film über den Zweiten Weltkrieg, der sich zunächst fast verspielt auf die emotionale Ebene seiner beiden jugendlichen Hauptfiguren Guido und Romek einläßt.

Der eine wegen Hörens feindlicher Musik viel zu jung an die Front  in Ostpolen geschickt, der andere zweiter Lokomotivführer an der Seite des verhaßten neuen Liebhabers der Mutter. Zunächst lebt Guido mit der Kompanie wie in einem Feriencamp auf seinem ruhigen Dorfposten, mit jungen Hunden und verstohlenen Blicken auf das hübsche polnische Küchenmädchen Franka. Die Drecksarbeit des Krieges wird von anderen verrichtet. Auf dem Dachboden hört er immer noch ganz unbekümmert die „Feindsender.“ Derweil fällt Romek bei der Arbeit ein Koffer vor die Füße, in dem sich ein Grammophon und Jazzplatten befinden. Er lädt Franka ein, um mit ihr heimlich Musik zu hören. Angelockt von den geliebten Klängen, verschafft sich Guido ebenfalls Zutritt zu dem Tête-à-tête.

Damit ist das Setting für die unglückliche Ménage à trois gesetzt. Denn die Realität des Krieges läßt weder Freundschaft noch Liebelei zu. Und auch wenn man lange verdrängen kann, daß all die Kleidungsstücke und Koffer entlang der Bahnstrecke, die Rogalski wie mahnende Fußnoten immer wieder im Bild plaziert, deportierten Juden gehörten, die in einem nahen Lager einen grausamen Tod fanden, so treffen sowohl Guido als auch Romek bald auf echte Menschen, die in Todesgefahr sind. Beide versuchen, sich menschlich zu entscheiden. Doch ihr eigentlich gutes Herz schützt sie nicht davor, andere zu verraten, wenn es um ihr eigenes Leben, ihr eigenes Fortkommen geht. Fast wie nebenbei werden aus jungen Männern Täter.

Das Leben geht weiter. Irgendwo wird getanzt, geliebt. Diese Banalität des Bösen, unsere egozentrische, ja fast bornierte Naivität arbeitet Michal Rogalski in ästhetisch arrangierten Bildern sehr berührend heraus: Solange er nicht an die eigene Tür klopft, hat der Krieg kein Gesicht.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...