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Urmel aus dem Eis

... vom PC dahingemeuchelt

Es war einmal ein Kinderbuch mit so großem Potential, daß es viele Reinkarnationen unterschiedlicher Qualität erlebte: als bis heute ungebrochen kultiger Vierteiler der "Augsburger Puppenkiste", als Zeichentrickserie, Hörbuch, vor kurzem gar in Form eines abgefilmten Theaterstücks auf einem Privatsender. Und weil selbst ein süßer Saurier mit der Zeit gehen mußte, folgt anno 2006 die Kinoauswertung – ganz modern vollständig computergeneriert.

Leider stellte der Kenner des Marionetten-Originals bei Ansicht schnell einen herben Verlust in Sachen Charme fest, obwohl die Animationsabteilung durchaus Professionelles geleistet hatte. Dies war insofern schade, weil sich dadurch zwar an den vertrauten Figuren – Seelefant singt melancholische Lieder, Ping trachtet permanent nach Fund einer Mupfel, Wutz wütet putzsüchtig durch die traumhafte Botanik – nichts änderte. Auch die Handlung wurde übernommen: Noch immer schwemmte ein gnädiger Meeresstrom das Urmel als Ei an die Strände einer Insel, wo allerlei sprechendes Getier unter Leitung Professor Tibatongs menschliche Kommunikation lernte und durch die Bank über auf Dauer enervierende Sprachfehler verfügte. Weiterhin mußte das Urmel nach Ausbrüten unzählige Abenteuer bestehen und sich vor allem gegen einen abgesetzten König beziehungsweise dessen Jagdgelüste wehren. Dennoch blieben nostalgische Seufzer oder das Hervorkramen verschütteter Erinnerungen verwehrt – die Schönheitskur hatte dem Knuddelmonster nicht wirklich gut getan. Hinzu kam neben bekannten, aber übereifrigen und somit schwer erträglichen Synchronsprechern eine musikalische Untermalung (Produktion: Hans Zimmer), welche oftmals an der Grenze des inakzeptablen Kitsches entlangschlitterte.

So blieb denn trotzdem uneingeschränkt positiv zu beobachten, daß sich die allerkleinsten Zuschauer über kindgerechte Späßchen prächtig amüsierten, dem Plot voll fiebriger Spannung folgten, einem oft schon penetrant aus allen Ecken winkenden Niedlichkeitsfaktor erlagen und hoffentlich die Botschaft vom friedlichen Miteinander, der kraftvollen Freundesbande sowie gütigen Toleranz vernahmen. Ihre Eltern wandten sich allerdings ab, weinten still und trugen schweren Herzens ein früheres Kinderzimmer-Idol zu Grabe.

D 2006, 87 min
Verleih: Falcom

Genre: Computeranimation, Kinderfilm

Stab:
Regie: Reinhard Klooss, Holger Tappe
Stimmen: Anke Engelke, Wolfgang Völz, Oliver Pocher, Wigald
Produktion: Reinhard Klooss, Holger Tappe

Kinostart: 03.08.06

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...