Nachruf: James Gandolfini

[ 30.08.2013 ] Es war eine Nachricht, bei der einem ein „Nein, das darf nicht sein!“ entfuhr. Am 19. Juni starb der Schauspieler James Gandolfini an einem Herzinfarkt. Tod in Rom mit 51 Jahren. Ereilt bei der gemeinsamen Urlaubsreise mit dem Sohn in die alte Heimat, aus der Gandolfinis Vorfahren einst nach Amerika auswanderten. Als hätte sich so ein Kreis geschlossen. Als hätte ein Drehbuch seinen traurigen, weil viel zu frühen Endpunkt gefunden.

Es gibt erste Begegnungen, die vergißt man nicht. Das gilt fürs Leben wie fürs Kino. Mit zwei Filmen krachte, das muß man so sagen, James Gandolfini in den 90er Jahren und lange bevor sein Gesicht das von Tony Soprano werden sollte, in mein Bewußtsein. Und zwar, absurder Zufall, in Nebenrollen, in denen Gandolfini jeweils Frauen, einmal gar eine Hochschwangere, auf das Brutalste zu verprügeln hatte. Zwei Filme (Tony Scotts TRUE ROMANCE und Nick Cassavetes’ ALLES AUS LIEBE), zwei Rollen – ein Typus: der moralisch abgewrackte Brutalo, der am Wahnsinn langschlingert, und der zugleich, ganz unterschwellig, ahnen läßt, wie überdrüssig er seiner, wie angeekelt er von sich selbst ist.

Diese Ambivalenz konnte Gandolfini wunderbar zum Schwingen bringen. Und durfte es auch ausgiebig in zahlreichen weiteren Nebenrollen, in mal besseren, mal schlechteren Filmen. Den Durchbruch dann, man weiß es, bescherte ihm allerdings nicht das Kino, sondern das Fernsehen. Von 1999 bis 2007 gab Gandolfini den Mafiaboß Tony Soprano und verfeinerte seine Gabe eines Spiels zwischen Gewalt und Zärtlichkeit in diesem Charakter, dessen Faszination sich bis zum Serienfinale nicht erschöpfte.

Und doch: Kino ist das Format, das ein Kerl von Gandolfinis Kaliber braucht. Und umgedreht: Das Kino braucht Typen wie Gandolfini. Was der in Filmen wie THE MEXICAN, KILLING THEM SOFTLY oder ZERO DARK THIRTY immer wieder aufs Neue bewies. Mit einer ununterbrochenen Folge schauspielerischer Kabinettstücke, deren intensivstes aber in einem kleinen, unscheinbaren Film zu finden ist. In WILLKOMMEN BEI DEN RILEYS spielt Gandolfini einen Vater, dem die Tochter starb. Und einmal sitzt dieser Mann, dieser Berg von Kerl, der so stark scheint in Anbetracht des Schicksalsschlages, allein in seiner dunklen Garage, und alle Stärke zerfließt ihm plötzlich in einem Anfall bodenlosen Schmerzes und herzzerreißender Trauer. Es ist eine Szene, die auch zeigt, welches emotionale und darstellerische Potential in James Gandolfini noch bereitlag – und welche Lücke sein zu früher Tod hinterlassen hat.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.