Keine Angst vor dem Alter!

[ 10.09.2015 ] Reife Menschen sind im Kino mit wenigen Ausnahmen ja nicht wirklich sehr gefragt. Das betrifft einerseits Geschichten über sie – traut sich wirklich mal jemand, Senioren in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken, funktioniert das wirtschaftlich erfolgreich eigentlich bloß, wenn’s komödiantisch bleibt. Wogegen grundsätzlich wenig zu sagen ist, Filmen wie BEST EXOTIC MARIGOLD HOTEL gönnt man den Erfolg, sie rühren an und schärfen manchen Blick, nur nicht auf die Tücken des Alters. Denn da blendet sich der Zuschauer lieber schnell aus, und genau das darf man dann eben doch schade finden, schließlich gehört auch dieses Thema zum Leben dazu. Und andererseits müssen auf Nummer sicher häufig Publikumslieblinge ran, die erschrocken beäugte Sache zusätzlich schmackhaft zu verpacken. Es ist schon einige Zeit her, aber deswegen nicht weniger wahr, als sich Jessica Chastain öffentlich und ungeachtet aller Verehrung für die geschätzte Kollegin wünschte, nicht immer bloß Meryl Streep auf der Leinwand zu sehen. Chastain nannte gleich einige Alternativen: Jessica Lange, Susan Sarandon, Viola Davis. Wir fügen spontan noch Glenn Close, Olympia Dukakis, Anjelica Huston sowie Lily Tomlin hinzu. Und fragen: Wo sind alle diese tollen Aktricen hin, wieso verschleudern sie ihr Talent im TV, huschen durch gräßliche Nebenrollen oder drehen eigentlich qualitativ hochwertige Filme, die aber regelmäßig als DVD-Premieren enden? Nichts gegen Streep persönlich, aber solche darstellerische Monokultur bringt das Kino kaum voran. Also gebe man der Frau meinethalben demnächst ihren vierten OSCAR, aber vergesse dabei die Vielfalt nicht. Und wir, die Zuschauer, sind derzeit zum Glück überraschend häufig eingeladen, Starkes mit schönen alten Gesichtern zu entdecken, die nicht der Dame Streep gehören: Ab heute zeigt die Passage das intensive Drama 45 YEARS, welches Charlotte Rampling und Tom Courtenay brillieren läßt. Am kommenden Montag produziert zur Eröffnung der diesjährigen Filmkunstmesse die hinreißende Catherine Frot als MADAME MARGUERITE in der Schauburg schräge Töne und wiederholt sie dann freitags beim Best Of in der Kinobar. Und am 24. September startet schließlich die wahrlich superbe, perfekt ausbalancierte Tragikomödie AM ENDE EIN FEST. Ganz ohne Starpower, aber voller Emotionen, Hintersinn und Würde. Einige Gelegenheiten also, die man definitiv nutzen sollte.

Vielfältige Kinoerlebnisse wünscht

Frank Blessin

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...