Verpaarte Mädels und die große Hoffnung

[ 29.10.2015 ] Wenn man sich (im wahrsten Wortsinn) ansieht, was seit langer Zeit aus der Disney-Schmiede kommt, kann einem ja ganz kalt ums Herz werden, weil die einst unbestritten leuchtende Magie im Nichts verpufft. Irgendwie geht es verdächtig oft hauptsächlich darum, eine wahlweise offen oder eher unbewußt nach Liebe dürstende (optional adlige) junge Dame aus dem Single-Verkehr zu ziehen und schlußendlich unter die Haube zu bringen, denn da gehört sie ja schließlich in der Anständige-Moral-aus-der-Gründerzeit-Verfechter-Denke hin. Zuvor noch ein paar Tücken eingebaut, zum Beispiel einen finsteren Fiesling plus erforderliche Rettung der näheren Umgebung respektive weiter gefaßten Botanik, männliches Gefühls-Ungeschick und schauderlich abzusingendes Liedgut, fertig. Gern hilft auch der obligatorische Sidekick, im Regelfall prominent synchronisiert, um Erwachsene zu locken. Nun, derlei Handlungsklamottage zwickt hinten und vorn, weswegen man sich als Freund des gezeichneten Bildes bereits mehr oder weniger abwandte, dabei hoffentlich die Filme des Studio Ghibli entdeckte. Lebendig pulsierende, inhaltlich übersprudelnde, Phantasie neu definierende Meisterwerke wie CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND (dessen Brillanz nicht mal Nina Hagen als deutsche Stimme der Hexe etwas anzuhaben vermochte), PRINZESSIN MONONOKE oder DAS SCHLOSS IM HIMMEL ließen Regisseur Hayao Miyazaki zur Legende aufsteigen, und wem treten nicht bei der bloßen Erinnerung an Isao Takahatas DIE LETZTEN GLÜHWÜRMCHEN Tränen ins Auge?! Aber dann Schock 1: Miyazaki kündigte seinen Ruhestand an. Gefolgt von Schock 2: Ghibli nahm sich eine „Pause auf unbestimmte Zeit“ – ob es weitergeht, steht in den Sternen, immerhin ist das Studio beim 2016 erwarteten THE RED TURTLE co-produzierend am Start. Ergo heißt es, kräftig durchzuatmen, die Daumen zu drücken und sich trotz aller Traurigkeit auf den (in ungebrochener Hoffnung geschrieben: vorerst!) letzten Ghibli-Film namens ERINNERUNGEN AN MARNIE zu freuen. Darin geht’s um Anna, welche sich von der Welt abschottet – bis sie eben Marnie trifft, die ein Geheimnis zu hüten scheint, und sich mit ihr anfreundet. Am 12.11. startet nun diese poetische Geschichte, bei uns spielt sie die Kinobar Prager Frühling. Hingehen ist Pflicht!

Träumerische Kino-Erlebnisse wünscht

Frank Blessin

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...