© Jens Koch

„Sich wegträumen und dieses Hineinkatapultieren in Geschichten – das kann wirklich nur Kino“

[ 29.09.2016 ] Jannis Niewöhner ist einer der interessantesten jungen Schauspieler des Landes. Aktuell brilliert er in JONATHAN. PLAYER traf den 24jährigen zum Gespräch.

Du bist ja noch ziemlich jung und trotzdem schon seit 15 Jahren am Start, hast an mehr als 30 Filmen mitgewirkt – ist man da schon ein Routinier?

Nee, das glaube ich eher nicht. Es gibt zwar schon eine gewisse Lockerheit, auch weil ich ja schon als Kind dabei war, und als Kind geht man vieles entspannter an, ist nicht gleich vom großen Set total eingeschüchtert, und da greift ja dann das Spielerische sehr gut. Und weil ich so früh anfing, hab ich ziemlich zeitig gelernt, daß man keinen Bammel haben muß vor einer Verantwortung, die man ja am Set tatsächlich hat. So ist es jetzt weniger Routine als bewahrter Spaß an dem, was ich tue.

Du bist in Unterhaltungsfilmen wie der „Edelstein-Trilogie“ und ebenso in weitaus ernsteren Werken wie 4 KÖNIGE oder jetzt JONATHAN zu sehen. Wie gehst Du komplexere Figuren wie Jonathan an, und schüttelst Du im Gegenzug den Gideon aus dem Ärmelchen?

Also, die Herangehensweise ist schon unterschiedlich. Klar, bei Figuren wie aktuell Jonathan oder der Timo aus 4 KÖNIGE stellt sich schon eine Aufgeregtheit ein, weil es etwas Neues ist, weil ich in das Innenleben von Figuren eintauche, die schon komplexer sind als die, die ich bis dahin mehrheitlich gespielt habe. Aber auch Gideon aus der „Edelstein-Trilogie“ ist mir wichtig, weil ich ans Unterhaltungskino glaube, das muß Kino auch können: einen wegträumen lassen. Und natürlich spiele ich eine Figur wie Gideon auch mit etwas Ironie, da paßt absoluter Bierernst nicht, zumal gerade der dritte Teil doch auch eine schöne Portion Trash innehatte. Mir ist jedoch beides wichtig, mehr aus Gründen der Balance als aus karrieretechnischem Kalkül. Jetzt habe ich gerade JUGEND OHNE GOTT gedreht, da wäre im Anschluß etwas Leichteres, auch zum Energietanken, nicht schlecht.

Als einer der wenigen deutschen Schauspieler bist du gleichermaßen im Fernsehen und im Kino präsent. Wie gewichtest Du das selbst?

Die Arbeit im Kino bietet dem Schauspieler schon andere Möglichkeiten, sich vorzubereiten, komplexer zu denken, man hat einfach auch mehr Zeit. Ich denke, daß Kino unabhängiger als TV ist, es wird weniger durch Senderredaktionen reingequatscht. Gerade bei Filmen wie JONATHAN, also waschechtes Arthousekino, ist es wichtig, kompromißlos, ungeschönt zu erzählen, ohne diese ewigen Vorgaben, was wie zu sein hat, was eventuell zu kraß ist .... Klar, es gibt auch engagierte Leute beim Fernsehen, aber Kino ist insgesamt schon mutiger. Und bei der Arbeit im Kino bemerke ich mit den Jahren eben auch, daß man als Schauspieler mehr Mitspracherecht hat. Man ist in die Entwicklung von Geschichten, in die Prägung von Figuren stärker eingebunden und kommt nicht nur als Und-nun-mach-mal-Puppe ans Set.

Theater hat Dich aber nie gereizt?

Als Zuschauer schon (lacht). Mein Papa arbeitet ja als Schauspieler am Jugendtheater, die Leichtigkeit dort gefällt mir auch. Beim „richtigen“ Theater finde ich den Ansatz, unbedingt und dabei doch recht verbissen Kunst machen zu müssen, im Wege stehend. Und ich persönlich kann mich beim Theater dann doch nicht ganz frei machen, weil ich ja weiß, daß manche erbsenzählerisch nur auf die Schwachpunkte warten, besessen auf Metaphern für alles Mögliche lauern. Mir ist das oft zu verkopft und zu wenig gefühlt.

Anspruchsvolle Filme wie 4 KÖNIGE haben es häufig nicht leicht beim deutschen Publikum. Dabei ging es dem Film mit knapp 40.000 Zuschauern besser als vielen anderen. Beschäftigt das einen generell als Schauspieler?

Also, grundsätzlich macht mir die Entwicklung der Kinobesucherzahlen genreunabhängig Sorgen. Und trotzdem glaube ich fest ans Kino als Ereignis. Natürlich weiß ich um Amazon, Netflix & Co. – aber Kino bleibt Kino. Die große Leinwand, der hermetische Raum, der ein Hineinkatapultieren in andere Geschichten doch erst erlaubt – dieses Gemeinschaftserlebnis gibt es wirklich nur im Kino!

Dein Familienumfeld ist film- und theateraffin. Wie wurdest Du eigentlich filmsozialisiert, und was schaust Du dir im Kino an?

Generell habe ich als Kind schon so gut wie nie Fernsehen geschaut, denn wir hatten ’nen Schrank voll mit Videokassetten, die es ja damals noch gab (lacht), und die habe ich mir mit großer Lust reingezogen. Ich habe sie geliebt – diese Entdeckungen, diese Ausbrüche in fremde Welten. Ich hatte schon damals Verbindungen zu meinem eigenen Erleben hergestellt, mich durch die vielen Filme auch in Tagträume gestürzt, was einem natürlich erst im Rückblick deutlich macht, was Film alles kann. Niemals vergessen werden ich FORREST GUMP oder auch GOOD WILL HUNTING, besser kann man vom Leben kaum erzählen. Generell bin ich heute für fast alles offen: Ich schaue mir SUICIDE SQUAD an, unbedingt aber auch CAPTAIN FANTASTIC.

Gibt es Kollegen, die Du bewunderst?

Klar, ich finde zum Beispiel, daß Tom Hardy eine Naturgewalt ist, Brad Pitt war in den ersten Jahren unfaßbar gut und hatte ein unglaubliches Gespür in seiner Rollenauswahl, war noch nicht so gefangen in einem bestimmten Typen. Wobei das eben nicht leicht ist, sich als derart großer Star von dem freizumachen, wofür das Publikum einen sehen möchte. Johnny Depp muß wohl für immer den Freak geben, und weil ich Brad Pitt erwähnte, der ist schon noch gut, hat aber eben nicht mehr ganz die Spielwut, den Wagemut von einst.

Du arbeitest viel, drei Filme mindestens pro Jahr, nur Frederick Lau ackert noch mehr. Hat man als junger Schauspieler Angst, daß es mit dem Gefragtsein auch wieder vorbei sein kann?

Eigentlich beschäftigt mich das nicht. Ich freue mich total, so viel arbeiten zu können, das will ich genießen, weiß aber auch, daß ich mal Pausen brauche, gerade nach schwereren Stoffen wie JONATHAN oder einer kürzlichen, schon auch kräftezehrenden Zusammenarbeit mit Andreas Prochaska. Nee, ich liebe meine Arbeit einfach zu sehr, um über Mögliches oder Unmögliches der Zukunft zu lange nachzudenken. Ich will vieles ausprobieren, eigene Grenzen verschieben, und dazu bekomme ich dankenswerterweise derzeit viel Gelegenheit.

Du bist hier gut beschäftigt, schaust Du dennoch so ein bißchen nach draußen, nach einer internationalen Rolle?

Klar, prinzipiell schon, und man kriegt ja allerseits Ratschläge, Angebote und so ... Und den Traum, in Amerika Filme zu machen, hat sicher jeder Schauspieler. Aber da ist keine Eile geboten. Ich habe tatsächlich sehr schöne Projekte hier in Deutschland in Aussicht, die haben Priorität. Aber wenn man mal ein wenig träumen darf: Es wäre schon toll, beispielsweise mal mit David Fincher zusammenzuarbeiten. Oder Steven Soderbergh. Beide haben eigene Handschriften und keine Angst vor Genregrenzen. Das imponiert mir schon.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.