D 2004-2013, 249 min
Label: 42film

Genre: Dokumentation

Regie: Mario Schneider

Mansfeld-Trilogie

Von Beginn an waren die drei Dokumentarfilme von Mario Schneider nicht als Trilogie angelegt, warum auch, wenn ein Filmemacher wie Schneider oft der Neugier, dem Zufall und der Geduld freie Hand läßt. Im übrigen eine sehr schätzenswerte Tugend unter Dokfilmern, denn es ist doch so, daß manche Geschichte sich erst beim Erzählen einer anderen finden läßt. So erging es Mario Schneider, der Zuschauer darf daran teilhaben. Und trotz zufälliger Spurensuche in Nachbardörfern ist und bleibt Schneider ein Chronist, indem er sich einer, durch 800 Jahre Kupferbergbau, einst prosperierenden Region, dem Mansfelder Land, verschrieben hat, eine Gegend, aus der er stammt, aus der heraus er seine hier versammelten drei, trotz regionaler Klammer so verschiedenen Geschichten erzählt.

Den Anfang machte vor zehn Jahren HELBRA. Das Porträt dreier vormals drogenabhängiger Freunde, alle Anfang 20, zeichnet das aus, was Schneiders Art zu erzählen oft auszeichnet: Nähe. Unglaublich fast, wie es ihm gelingt, derart intime, vertrauensvolle Gespräche mit den Eltern, Geschwistern und Markus, Michael und Husen selbst zu führen und zu filmen. Die Kamera wird zum unsichtbaren Vertrauten, wenn sich Husens Mutter an die schlimmste Zeit erinnert, als sie – einst eine selbstzitierte Kampfmaschine – vor Kummer auf gut 50 Kilo abmagerte, wenn sie die in schöner Sprache geschriebenen Briefe des Sohnes verliest, Briefe eines flehenden, zu Tode geängstigten Jungen, wenn in Anwesenheit des mittlerweile cleanen Husen noch immer lapidarste Anlässe zum Streit gereichen.

Michaels Familie wirkt da ein wenig geordneter, das Aufarbeiten, das Erinnern reißt dennoch alte Wunden auf, dies zuzulassen dürfte Teil des Prozesses sein. Und Markus schließlich scheint ziemlich auf sich allein gestellt beim Traum von geordneten Verhältnissen. Um ihn macht man sich beim Zuschauen und -hören die größte Sorgen, rein aus dem Bauch heraus.

Vom schwindelerregenden Zwischenleben aus Ohnmacht, Schweigen, Verkriechen, Vertrauensbruch und echter Sorge um das Leben seines Kindes ist selten so intensiv wie hier erzählt worden. Und daß jederzeit Versuchungen und Enttäuschungen drohen könnten, gerade in einer von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Region, dafür findet Schneider ein geschicktes Montagemittel: Zu Beginn bereitet er Archivmaterial vom Schließen des Bergwerks auf, um dann in melancholischer Heiterkeit am Ende ehemalige Bergarbeiter das Steigerlied anstimmen zu lassen – in brüchigem Ton vor der Gartenlaube. Sie mögen zu ihren Familien zurückgekehrt sein, ob sie ans Licht gefunden haben, bleibt fraglich.

Fast zehn Jahre später entstand MANSFELD. Mario Schneider erzählt wieder von drei Jungs, Kinder diesmal, auch sie aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen. Doch die Geschichte ist eine märchenhaftere über eine alte Pfingsttradition, die damit zu tun hat, den Winter endgültig zu vertrieben. Und wer jüngst im Kino war, dem dürften die verschwitzten und stolzen Gesichter der Jungs, das Knallen der Peitschen und die schlammbeschmierten Leiber noch in bester Erinnerung sein.

Das Herz der Trilogie und zugleich Schneiders Meisterstück ist HEINZ UND FRED aus dem Jahr 2007. Die beiden sind sich Vater und Sohn, ein aus einem Unglück geborener Bund, ein schönes Paar irgendwie. Sie leben zusammen, sie arbeiten zusammen, sie helfen einander. Arbeit bestimmt das Leben in ihrer „Burg“ aus Stein, Metall und illustren Fahrgeräten. Wie sie ernten, wie sie schweißen, biegen, brechen, putzen und ölen – das hat etwas von einer entrückten Schönheit, auch weil von ehrlicher Arbeit erzählt wird. Den starken Bildern Peter Badelts gelingt das Kunststück, dreckige Finger am Eßtisch, fliegende Späne, schnurrendes Gerät und Gefährt und schmierige Kugellager ästhetisch, geradezu würdevoll erscheinen zu lassen. Und auch hier ist es wieder diese Nähe, das Intime, das Schneider zum unsichtbaren Dritten werden läßt.

HEINZ UND FRED ist ein meisterlicher Film, einer über Zwei, die sich brauchen, die in einer ruppigen Zartheit einander zugetan sind. Und so darf als unverfälschte Liebeserklärung gelten, wenn Heinz beim Haareschneiden dem Jungen attestiert „Du hast ‘nen komischen Kopp!“ oder bei der Arbeit ihm zuraunt: „Es is’ schrecklich, mit Dich was zu machen ...“

Auch wenn man es filmüber stets befürchtet, packt einen bei HEINZ UND FRED beim Abspann doch die Traurigkeit, weil man dann eben einmal mehr um die Endlichkeit aller Dinge und auch die des schönsten Bündnisses weiß. Dafür lohnt ein Blick in das sehenswerte Zusatzmaterial, welches zudem wieder zuversichtlicher stimmt. Denn da sieht man in einer kurzen, dem Schneidetisch geopferten Szene, wie Husens Mutter an der Kaufhallenkasse sitzt: auf bestem Weg zu ihrem einstigen Kampfgewicht ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.