Originaltitel: A PERFECT DAY

Spanien 2015, 105 min
FSK 12
Verleih: X Verleih

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Benicio del Torro, Tim Robbins, Mélanie Thierry, Olga Kurylenko, Fedja Stukan

Regie: Fernando León de Aranoa

Kinostart: 22.10.15

5 Bewertungen

A Perfect Day

Was alles geschehen kann – an so einem Tag in so einem Film

Der „perfekte Tag“, um den es hier geht, beginnt mit einer Leiche, die tief im Brunnen eines Bergdorfes liegt, und die es zu bergen gilt, bevor sie dort das Wasser vergiftet. Nun ist so eine Leiche im Brunnen hier nichts, was über Gebühr aufregt. Zumal fraglicher Korpus weder zerstückelt noch vermint ist. Ein gewissermaßen glücklicher Umstand, wahrlich nicht immer zu erwarten und unter bergungstechnischen Blickwinkeln tatsächlich „perfekt“ – wäre da nicht die exorbitante Körpermasse des Toten. Und das poröse Seil, das dieser Masse eben nicht gewachsen ist.

Ins Ex-Jugoslawien des Jahres 1995 und hinein in die letzten Zuckungen des Bosnienkrieges führt Fernando León de Aranoas Film A PEFRECT DAY. Und schon dessen Exposition ist großartig. Da ist dieses erste, hier noch irritierende Bild (dicker, toter Mann am Seil) und dann die ersten Dialogfetzen staubtrockenen Humors. Wir lernen den Spanier Mambrú und den Bosnier Amir kennen. Beide arbeiten als Entwicklungshelfer für eine NGO. Zum kleinen Team unter Mambrús Leitung gehören noch der sarkastische Kauz B, ganz alter Hase und trauriger Narr. Und Sophie, die Neue. Eine junge Französin, die genauso idealistisch wie unerfahren ist. Und beides im Überschwang.

Drei Arbeiten des spanischen Regisseurs Fernando León de Aranoa konnte man bisher in deutschen Kinos bewundern. MONTAGS IN DER SONNE (2002), PRINCESAS (2005) und AMADOR UND MARCELAS ROSEN (2012). Jetzt gesellt sich A PERFECT DAY dazu. Ein Film, der bitter, aber ohne Verbitterung erzählt. Der moralisch ist, ohne zu moralisieren, und politisch, ohne zu agitieren. Und der bei alldem wundersam eigenwillig Elemente aus Komödie und Drama zu einem Stück Kino vermengt, das ausgesprochen berührend und unterhaltend ist. Und einen zugleich mit diesem kleinen Stachel entläßt, der mithilft, vorm moralischen Einschlafen zu bewahren.

Daß A PERFECT DAY auch noch astreines Schauspielerkino ist, muß unbedingt ebenfalls erwähnt werden. Wobei diesbezüglich Benicio del Toro (Mambrú) und Tim Robbins (B) die Platzhirsche sind. Hinreißend in ihren Rollen als die alternden Antihelden im humanitären Einsatz. Knurriger und lakonischer geht nicht, und wie bei beiden immer wieder die Verlockung der Resignation mit dem trotzigen Weitermachen ringt, macht die zwei zu den sympathischsten Filmfiguren seit langem. Wobei Fedja Stukan (Damir) bravourös mithält. Ganz Understatement und Ruhe. Es ist wunderbar, die drei Kerle zu sehen.

Um bei all dem Schwärmen dann doch noch mal kurz einen kritischeren Ton einzuflechten: Aus den zwei Frauenrollen, mit denen A PERFECT DAY aufwartet, wäre durchaus etwas mehr rauszuholen gewesen. Sophie wird gegeben von Mélanie Thierry und ist in ihrer Rolle ganz das Greenhorn, das lernt, sich zu behaupten. Während dann Olga Kurylenko tatsächlich wie der freilich unwiderstehliche Blickfänger vom Dienst auf der Leinwand erscheint, wenn sie als UN-Beauftragte der Truppe und ihrem Wirken kontrollierend auf die Finger schauen soll. Daß sie sich dabei als Ex-Geliebte Mambrús entpuppt, hätte leicht einer der Handlungshaken zu viel im Drehbuch werden können.

Wurde es aber nicht. Einfach, weil es dem Film um etwas anderes geht, und diese privaten Melangen nur der Hintergrund sind, vor dem die Figuren schärfer Kontur bekommen. Auf daß sie Menschen mit ihren kleinen, persönlichen Geschichten bleiben in dieser großen Filmgeschichte, die in ihrem Kern dabei doch erst einmal nicht mehr erzählt, als die Suche dieser Truppe nach einem Seil.

Eine Suche, die sich zunehmend schwieriger und haarsträubender gestaltet. Tote Kühe, die vermint sind, ein kleiner Junge, dem es einen Ball zu beschaffen gilt, das mitunter gefährlich unterschiedliche Humorverständnis in den unterschiedlichen Bergdörfern, grimmige Soldateska und Gesichter, die leer sind von erfahrenem Leid – all das paßt rein in diesen einen Tag, in diesen Film.

Dessen zumal letzte Bilder zu einem Lied, das man ehrlich gesagt meinte, nicht mehr hören zu können, garantiert zu jenen Kinomomenten gehören, die man nicht mehr vergessen wird.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.