Originaltitel: A SERIOUS MAN

USA 2009, 105 min
FSK 12
Verleih: Tobis

Genre: Tragikomödie, Schräg

Darsteller: Michael Stuhlbarg, Richard Kind

Regie: Joel & Ethan Coen

Kinostart: 21.01.10

30 Bewertungen

A Serious Man

Ratio, Mystizismus, Pop und Kino

Jetzt sind sie vollends verrückt. Die Brüder Joel und Ethan Coen. Ihr neuer Film A SERIOUS MAN ist so introvertiert – das ist schon wieder total exzentrisch. Nein, so weit wie hier sind die Coens noch nie in ihr ganz spezielles Geschichten-Universum vorgedrungen. Hin zum Kern dessen, woraus, bei allen Unterschieden, das Œuvre der Coens seine Substanz schöpft.

1967 – eine Stadt im mittleren Westen. Physikprofessor Larry Gopnik kritzelt vor gelangweilten Studenten mit Leidenschaft Zahlen und Formeln auf die Wandtafel. Die Welt beruht auf Ordnung und Struktur. Danach lebt Larry, darauf setzt er. Und setzt falsch. Als sei plötzlich ein unheimlicher Mechanismus in Gang, beginnt Larrys Leben aus den Fugen zu geraten.

Die Karriere strauchelt. Ein koreanischer Student bringt Larry mit einem Bestechungsversuch in die Bredouille. Zu Hause überrascht die Gattin mit dem Wunsch nach Scheidung. Was die Teenager-Kinder deprimierend wenig kümmert. Der Sohn steht kurz vor der Bar Mizwa, ist aber die meiste Zeit bekifft. Und die Tochter hat nur eine Sorge: eine Nasenkorrektur. Wofür sie Daddy auch schon mal Geld klaut. Dazu schläft seit einiger Zeit noch Bruder Arthur, psychisch labiles Mathematikgenie, auf der Couch im kleinen Einfamilienhaus.

Unter Larrys Füßen schwankt der Boden. Gewißheiten verwischen, diffuse Angst gärt. Ordnung, Struktur? Alles in Auflösung! Larry blickt auf die bekannten Menschen und die gewohnten Dinge – und die werden rätselhaft, entziehen sich. Warum geschieht das? Was bedeutet das? Larry weiß es nicht. Also geht er zum Rabbi. Wenn die Ratio nicht mehr hilft, muss die Religion ran. Doch deren Antworten sind Larry einfach zu kryptisch.

Und kryptisch ist auch dieser Film. Eine Tragikomödie, ja. Aber was für eine! Beginnend mit einem düster-grotesken Prolog in einem osteuropäischen Schtetl und endend mit einem bedrohlich-apokalyptischen Schlußbild. Dazwischen: Prophetisches von Jefferson Airplane, kabbalistische Zahlenmystik, Botschaften auf den Rückseiten von Zähnen, ein toter Hirsch auf dem Autodach der antisemitischen Nachbarn – und Larrys Blick auf all das, was nur noch Rätsel ohne Antwort ist.

Echt abgefahren! Existentialistisches Kafka-Kabbala-Kino. Ein Film, nach dessen Abspann einem die Welt noch lange seltsam fadenscheinig vorkommt. Was verdammt bedeutet das alles? Das in jedem Fall: Die Coens sind verrückt. Großartig!

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.