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After Life

Post mortem - ein wirklich allerletzter Behördengang

Chöre von Engeln, ein Zausebart mit Schlüssel, beißender Rauch aus dem Fegefeuer? Diese japanische Vision des Übergangs in den endgültigen Tod ist um einiges aufgeräumter, aber kaum weniger beängstigend. Sachbearbeiter warten in abgewohnten Amtsstuben auf ihre aus der Welt gegangenen Klienten. Atmosphäre zwischen Kafka und Spitzweg - auch so etwas gibt es. "Sie sind gestern verstorben. Mein Beileid!"

Es gilt, den Neuankömmlingen den schönsten Moment ihres Erdenlebens ins Gedächtnis zu rufen, um den Aufenthalt in der Ewigkeit mit erinnerten Gefühlen, Düften und Bildern behaglich ausstatten zu können. Die Kamera, in Ehrfurcht vor Erzählenden und Zuhörenden beinahe angewurzelt, wohnt den Gesprächen bei. Direktes Licht auf Gesichter, Frage-und-Antwortspiele irgendwo zwischen Interview, Verhör und Arztbesuch. Frau Hara denkt an Kirschblüten, die junge Kana an Disneyland, ein älterer Herr an all die Geliebten und Beschlafenen seiner Vergangenheit, Herr Watanabe will in seinem Leben so gar nichts Spezielles entdecken, der rebellische Iseya verweigert sich einfach.

Aus der Widersprüchlichkeit von sachlichem Dokumentieren und der irren Konstruktion eines erstaunlich höflichen und verständnisvollen jüngsten Gerichts, aus dem Nebeneinander von Banalem und Erhabenem entwickeln diese Kurz-Porträts komische oder auch tragische Tiefe. Dabei ist die Arbeitswoche straff organisiert: Montags Dienstbesprechung, drei Tage für die Lebensschau, Nachfrist für schwierige Fälle, Freitag zum Kulissenbauen und Proben. Samstag, spätestens Sonntag läuft der Erinnerungs-Film im Kinosaal des Hauses, und die Kundschaft verschwindet aus dem Sessel ins immerwährende Nirgendwo. Nur einem Regisseur konnte wohl einfallen, am letzten Grenzposten vor der süßen Ewigkeit eine Filmbehörde anzusiedeln. Merken muß man sich, daß auch an diesem entrückten Ort nur mit Wasser gekocht wird: Pappkulissen, Windmaschinen, Fundus-Klamotten - wie das Kino halt so spielt. Und schließlich immer ganz viel echte, lebendige Wahrheit: Seien Sie wachsam für die schönen Momente, bleiben Sie besonders, bereiten Sie sich vor, kalkulieren Sie Bearbeitungszeiten ein! Danke für Ihr Verständnis.

Originaltitel: WANDAFURU RAIFU

J 1998, 118 min
Verleih: Peripher

Genre: Tragikomödie, Schräg

Darsteller: Arata, Erika Oda, Taketosh Naitô, Yusuke Iseya

Stab:
Regie: Hirokazu Kore-eda
Drehbuch: Hirokazu Kore-eda

Kinostart: 26.06.03

[ Sylvia Görke ]